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Archiv-Artikel

Schön und gut: „Respekt. Fotos für die Pressefreiheit 2005“

Für Josef Koudelka ist die Zeit die große Herausforderung: den einen kurzen Moment, den die fotografische Aufnahme dauert, aufheben und vergessen lassen angesichts der Arbeit von Jahrhunderten, die zum Bild werden in seinen Fotografien aus Rom. Der Liebe zum Stein und zur Verwitterung gelten die breiten, schwarzweißen Panoramen seines „Teatro del Tempo“: Nebel zieht durch die Bögen halb verfallener Aquädukte und lässt die Zypressen hinter einem Brunnen im Park der Villa Borghese nur schemenhaft auftauchen. Vor diesen Monumenten wird die Gegenwart zum flüchtigen Augenblick.

Koudelkas poetische Bilder überraschen in dem Band „Respekt. Fotos für die Pressefreiheit 2005“, der von Reporter ohne Grenzen herausgegeben wird, weil sie so fern von journalistischer Aktualität und der Dringlichkeit der Reportage scheinen. Das aber macht die Qualität des Bandes aus, für eine Achtung vor den Menschen und den Dingen einzutreten, die jedem Engagement vorausgeht.

In der Reportage der mexikanischen Fotografin Maya Goded „Justice for our Daughters“ erhalten die kleinen Dinge einen so großen Wert und so große Bedeutung, dass es fast schmerzt. Denn sie sind alles, was den Lebenden von den Toten geblieben ist. Goded ist den Spuren von Mordopfern gefolgt, jungen Frauen zumeist, hat die Familien und die Tatorte besucht und aufgenommen, womit die Erinnerung wachgehalten wird: die Schatten von Kreuzen im Sand, Rosen in den Schuhen der Opfer. Ihre Reportage macht sich zum Agenten der Mütter der um ihr Leben gebrachten Mädchen, die sich in ihrer Forderung nach Aufklärung von Polizei und Justiz allein gelassen sehen. Wem die Anteilnahme gilt, ist in ihren Bildern keine Frage und das gilt für die meisten Fotografen in diesem Heft.

Aber gerade die Beiträge, die dies nicht eindeutig erkennen lassen, gehören zu den interessantesten, wie die Bilder, die der englische Fotograf Martin Parr in einem Park in Litauen aufnahm, in dem die Denkmäler der Sowjetzeit heute von Touristen besucht werden. Die Besucher nehmen zum Fotografiertwerden Aufstellung vor den zum Dekor entmachteten Monumenten, nicht nur für Parrs Kamera, sondern auch für die eigene. Es liegt etwas von Triumph in der Luft und vom Sturz von Giganten.

KATRIN BETTINA MÜLLER

„Respekt. Fotos für die Pressefreiheit 2005“, 10 € www.reporter-ohne-grenzen.de