: AMERICAN PIE
Zwitscher-Zensur
An und für sich sind Internet, E-Mails, persönliche Seiten wie Facebook und Spielereien wie Twitter ja irgendwie doch eine ganz nette Sache. Man kann sich über viele wichtige und noch mehr unwichtige Dinge informieren, den neuesten Klatsch und den noch neueren Tratsch austauschen und den in vielen Fällen weit verstreuten Freundeskreis über die eigenen neuesten Errungenschaften in Kenntnis setzen.
Im Falle von Miami Heat-Forward Michael Beasley war es ein neues, bedingt schönes und einen beträchtlichen Teil des Rückens einnehmendes Tattoo, das der 20-Jährige in der sonst oft beschäftigungsarmen Sommerpause seinen Fans und der Welt über den so oft erwähnten, so oft gelobten und mindestens genauso oft geschmähten Online-Nachrichtendienst Twitter näherbringen wollte. Was auf dem offenbar im heimischen Wohnzimmer aufgenommenen Bild allerdings mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als die Stickerei auf Beasleys Rücken, waren zwei kleine Plastikbeutel, die im Hintergrund auf einem Tisch lagen. Der offensichtliche Inhalt der Beutel und die nicht wirklich optimistisch anmutenden Twitter-Einträge wie „Ich fühle mich, als wäre die ganze Welt gegen mich“ oder „Das Leben hat keinen Wert. Ich bin fertig damit“ sorgten für einen mehrwöchigen – und mehr oder minder freiwilligen – Aufenthalt Beasleys in einer Entzugsklinik.
Mitunter bringt das Mitverfolgen der Profile diverser NBA-Stars spektakuläre oder weniger verfängliche Neuigkeiten mit sich. „Ihr meint also, wir müssen uns von der Dreierlinie verbessern? Wie findet ihr dann ihn hier?“, zwitscherte Forward Andre Iguodala von den Philadelphia 76ers über die Verpflichtung von Jason Kapono von den Toronto Raptors, einem der besten Distanzschützen der Liga, lange vor der offiziellen Bekanntgabe durch seinen Klub. Kevin Love von den Minnesota Timberwolves tat es seinem NBA-Kollegen gleich und gab über das Netzwerk die Entlassung von Trainer Kevin McHale preis. Spielergrande Allen Iverson dagegen beendete die wochenlangen Spekulationen über seinen zukünftigen Verbleib und legte letztendlich mit großem Pathos offen, wohin es geht: „Gott hat die Memphis Grizzlies als mein nächstes Team auserwählt.“ Und Charlie Villanueva berichtete gar ganz nah vom aktuellen Geschehen, schickte selbst von der Bank der Milwaukee Bucks in der Halbzeitpause eines Spiels in der letzten Saison eine Nachricht. Zeit für die mit Maßregelungen ohnehin nicht geizende NBA einzuschreiten: Ab der kommenden Saison, die in etwas weniger als einem Monat beginnt, gilt strengstes, nun, nennen wir es schlicht „Kommunikationsverbot“ vor und besonders auch während der Partien. „Wir müssen sicherstellen, dass die Popkultur nicht in das eindringt, das uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind: das Spiel. Dieser Tatsache soll weiterhin der größte Respekt entgegengebracht werden“, so NBA-Boss David Stern in einem Plädoyer für mehr Diskretion.
Damit befindet sich die größte und beste Basketballliga der Welt in guter Gesellschaft: Auch die Kollegen von der National Football League haben bereits einen Verhaltenskatalog eingeführt, der nicht nur Spieler und Trainer, sondern eigentlich jeden betrifft, der auch nur ansatzweise in den Spielbetrieb mit eingebunden ist. 90 Minuten vor jedem Spiel treten die neuen Richtlinien in der NFL in Kraft, und sollen so mindestens ein unvorteilhaftes Bild, das durch charakterliche, geschmackliche oder ganz einfach menschliche Verfehlungen oder ein zu hohes Maß an Mitteilungsbedürfnis entstehen könnte, vermeiden.
„Es ist nichts Ernstes“, so Stern weiter. „Es geht nur darum, zu klären, wann es okay ist zu twittern und wann nicht. Es würde doch merkwürdig aussehen, wenn ein Spieler auf der Ersatzbank plötzlich sein Handy hervorholt und anfängt, Nachrichten zu schreiben“ – Villanueva lässt grüßen.
Miamis Michael Beasley übrigens befindet sich längst wieder – so scheint es – auf dem Weg der psychischen und körperlichen Besserung und ist in der Saisonvorbereitung mit den Heat. Aber darüber wird bestimmt noch ganz schnell getwittert.
DAVID DIGILI