Nur Gegenwehr kann sie bremsen

betr.: „Keine Angst vor dem Imperium“, Interview mit H. Münkler, taz vom 1. 8. 05

Für Münkler ist die Friedensmacht USA die Rettung der Welt. Vielleicht trifft das auf seine persönliche heile Welt zu. Ich kann ihm nicht folgen. In meinen Augen reitet uns die überlebende Supermacht ökonomisch, ökologisch, sozial und militärisch in ein nie da gewesenes Schlamassel. Nur Gegenwehr kann sie bremsen. Die Willkür unbegrenzter Macht hat der Welt noch nie gut getan. Machtspezialisten wie Münkler werden kaum bestreiten können, dass die Freiheit der kleinen Leute nur im Schatten von Machtkontrolle und Gewaltenteilung gedeiht. Wenn die römischen Herrscher ihren Untertanen Konzessionen machen mussten, hing das durchaus mit äußerem Druck zusammen. Sie hatten eben nicht das Machtmonopol, das sich Münkler für die USA herbeisehnt. WERNER HAJEK, Heide

Münkler vergisst schlicht die ungeheure Brutalität und Bestialität, mit der jedes Imperium, egal ob es nur ein einziges oder zwei, drei konkurrierende gibt, sich an seinen Rändern (ob am Waterberg in Südwestafrika, ob in Amritsar, Algerien, Vietnam, in Falludscha oder Guantánamo) verteidigen muss. Lokale Hilfstruppen, Finanzierbarkeit und Ressourcen zur Aufrechterhaltung der Herrschaft sind immer begrenzt, und eine volksbetriebswirtschaftliche Kalkulation, um herauszufinden, ob es sich rechnet, ist kaum möglich.

Jedes Imperium benötigt neben der wirtschaftlichen Ausbeutung und der politisch-militärischen Unterdrückung (einschließlich der Kooperation mit diktatorischen Regimes) auch die jeweils erforderlichen ideologisch-emotionalen, „legitimierenden“ Repressionsmuster, wie etwa Rassismen aller Art. Dadurch erzeugt es aber auch die ideologisch-emotionalen Ressourcen für den Widerstand, die wachsende Motivation seiner Gegner notwendigerweise mit (egal ob man sie Aufständische, Widerstandskämpfer, Saboteure, Partisanen, Terroristen nennt). Für kein Imperium gibt es somit einen Ausweg aus der Notwendigkeit der permanenten direkten Gewaltanwendung in einem unzivilen Ausmaß.

Es gibt nur die Ablösung durch ein anderes Imperium, das dann wieder durch ein weiteres abgelöst wird. Der Wert dieser Imperien ist nur, dass für eine relativ kleine Bevölkerungsschicht im Zentrum, d. h. zu Hause (und in den Brückenköpfen in der Peripherie), vergleichsweise großer bis obszöner Wohlstand geschaffen wird. Dessen Wert relativiert sich spätestens, wenn der Krieg, der Widerstand bzw. Terrorismus in die Zentren des Imperiums gelangt, was heutzutage früher oder später passieren muss und nur logisch ist. Dann wird jedes Imperien wertlos, weil es keine echte Ordnung oder gar Sicherheit mehr garantieren kann. Hegel konnte dem römischen und dem napoleonischen Reich noch eine historische Funktion und einen teleologisch verstandenen Sinn attestieren. Das ist mit Amerika oder Europa heute nicht mehr möglich. Sie tragen weder Freiheit noch Demokratie noch Wohlstand in die Welt. Sie produzieren nur Angst und Schrecken – auch zu Hause, in Madrid, in London, demnächst in Mailand, Turin oder Rom. Eine Angst, die wir nicht wieder loswerden. Der Ausdruck „zivilgesellschaftliches Imperium“ scheint doch eher eine Contradictio in adjecto [Widerspruch zwischen der Bedeutung eines Substantivs u. dem hinzugefügten Adjektiv, d. Red.] als eine sinnvolle begriffliche Kategorie zu sein.

BERNHARD SCHINDLBECK, München

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.