: Heraus aus der Wüste
POST-WÜSTENROCK Howe Gelbs Musikerkollektiv Giant Sand gilt zurecht als Herzstück der Americana-Szene. Nun präsentiert er mit Giant Giant Sand das Orchester, das bislang nur angedeutet war. Und gibt der Weite Konturen
VON NILS SCHUHMACHER
Giant Sand, das klingt nach was. Hört man sich die gleichnamige Band an, kann man sagen: es klingt mehr groß als klein und mehr programmatisch als zufällig. Wie die Musik dieser Band eben: staubtrocken, lichtdurchflutet, weit. Was es einem sagen soll, dass sie auf ihrer neuesten Veröffentlichung sogar als Giant Giant Sand auftritt? Noch mehr Trockenheit? Noch mehr von der Weite Arizonas, wo man sich 1984 gründete? Das Anstreben kommerziellen Erfolgs nach über 30 Platten, die immer haarscharf am großen Popgeschäft vorbeischrammten? Das muss unklar bleiben.
Klar ist: Das Zentrum von Giant Sand bildet Howe Gelb, über den man zwei Dinge festhalten kann. Zum einen gelten er und sein personell stets in Bewegung bleibendes Musikerkollektiv zurecht als ein Herzstück jenes Country und Folk verbindenden Musikstils, der als Americana bekannt ist. Und dies sogar im wörtlichen Sinne, denn die wohl kommerziell erfolgreichsten Vertreter des Genres, Calexico, stellen eine Ausgründung seiner eigenen Band dar. Zum anderen ist Gelb auf eine fast schon beängstigende Weise produktiv und umtriebig, wie er nicht nur mit den vielen Bandveröffentlichungen, sondern mit einer nicht geringen Zahl an Soloalben dokumentiert hat, auf denen der Korridor „traditioneller“ Musik, zum Beispiel zusammen mit Lisa Germano, Kurt Wagner (Lambchop), Chan Marshall (Cat Power) um möglichst viele Einflüsse erweitert wurde. Ein ruhe- und rastloser Reisender ist also dieser Gelb.
Vor diesem Hintergrund ist auch klar: „Desert Rock“ stellt nur eine sehr ungefähre Bezeichnung für die Musik von Giant Sand dar. Die Band produzierte immer schon vergleichsweise unbehauene, oft geradezu skizzenhaft bleibende und wenig festgelegte Songs, in denen sich lokaler Sound mit allerlei Einflüssen von Mariachi, über Gypsie bis hin zu Grunge kreuzten. Diese Art von Weite erhält eine bis jetzt eher unbekannte klare Kontur auf dem jüngsten Album „Tucson“ (2012), auf dem Gelb bekannte Mitstreiter mit Musikern seines neuen Zweitwohnortes Aalborg zusammentreffen lässt. Und man ahnt, was die „Umbenennung“ einem sagen soll. Giant Giant Sand präsentieren sich auf ihm als jenes Orchester, das Giant Sand immer nur andeuteten und dessen Möglichkeiten sie – vermutlich absichtsvoll – verwarfen. Jetzt wird die Karte gespielt. „Tucson“ ist dabei mehr Opus als Ansammlung von Songs geworden, ein Americana-Werk, das das Wüstenbild überwindet und musikalische Möglichkeiten auskostet. Schöne Grüße an Calexico.
■ Do, 23. 8., 21 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30