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Archiv-Artikel

Wohlwollen garantiert

FILMPORTRÄT Reich an Material, ohne jede kritische Distanz: Laurent Bouzereaus „Roman Polanski: A Film Memoir“ ist ein Freundschaftsdienst am berühmten Regisseur

Roman Polanski hat in Polen Naziverfolgung und Ghetto überlebt. An die alltäglichen Grausamkeiten der deutschen Barbarei erinnert er sich in aussagekräftigen Details, mit der heute noch in ihm spürbaren Perspektive eines hellwachen, staunenden Kindes

VON BARBARA SCHWEIZERHOF

Der Mann wird nächstes Jahr achtzig. Es fällt schwer, das zu glauben angesichts der jugendlichen Präsenz und Geschmeidigkeit, mit der Roman Polanski in Laurent Bouzereaus Dokumentarfilm vor der Kamera agiert. Fast möchte man ihn verdächtigen, irgendwo in „Dorian Gray“-Manier ein Bild zu verstecken, das an seiner Stelle altert, doch wenn der Film eine Erkenntnis hinterlässt, dann die, dass Polanskis Lebensgeschichte an Unglaublichkeiten schon reich genug ist und keiner metaphorischen Ausschmückung bedarf.

Mit einem anderen Verdacht liegt man im Fall von „Roman Polanski: A Film Memoir“ jedoch genau richtig: Es handelt sich weniger um einen Dokumentarfilm als vielmehr um ein „Hagiomentary“, ein Porträtgenre, das sich vor allem in der Musikszene zunehmend verbreitet, in dem an die Stelle von kritischer Distanz die Pseudointimität des Freundschaftsdienstes tritt. Wobei man diesem Film zu Gute halten muss, dass er seine Herkunft aus der Entourage des Porträtierten nicht verschleiert, sondern ganz offensiv damit eröffnet. Ein gut aussehender älterer Herr namens Andrew Braunsberg stellt sich zu Beginn wohlerzogen vor: Er sei seit 1964 mit Polanski befreundet und verdanke dieser Freundschaft unter anderem die Anregung, eine Karriere im Filmbusiness zu verfolgen. Die Ereignisse rund um die Verhaftung Polanskis durch Schweizer Behörden 2009 hätten ihn auf die Idee gebracht, seinen Freund einmal ausführlich zu dessen mehr als erstaunlichem Leben zu befragen – und sich dabei filmen zu lassen. Man sieht daraufhin, wie der gutaussehende ältere Herr vor das Haus in Gstaad tritt, in dem Polanski in der Zeit nach seiner Verhaftung den elektronisch überwachten Hausarrest verbrachte. Von da an ist der Film ein Kammerspiel mit zwei Herren an einem Tisch, unterbrochen von Filmausschnitten und Archivmaterial.

Der jüngste Skandal um Polanskis Verhaftung und dessen Vorgeschichte eines „ungesetzlichen Sexakts mit einer Minderjährigen“ im Jahr 1977 bildet sowohl den Ausgangspunkt des Films als auch die Coda. Man wünschte, es wäre anders, weil man auf diese Weise als Zuschauer nie herausfindet aus der Geschworenenrolle, in die Skandale dieser Art ihr Publikum versetzen: schuldig oder nicht schuldig? Regisseur Bouzereau und Interviewer Braunsberg gehen auch mit dieser Konstellation fast entwaffnend offensiv um, indem sie alle Bemerkungen zum Vergewaltigungsfall und den Folgen nach einer klaren Verteidigerstrategie anordnen: Es gibt keine Aussagen zur eigentlichen Anklage, den Geschehnissen jener Nacht, sondern ausgewählte Statements, die sich vor allem aufs Prozedere konzentrieren und im Kern eine Darstellung verfolgen: Polanski hat sich schuldig bekannt und beim Opfer entschuldigt; er saß dafür 1977 im Gefängnis und floh aus den USA, als der Ankläger die getroffenen Abmachungen widerrief. Es ist die Perfektion der Strategie, die kein falsches Wort zulässt – keine Rechtfertigungen, keine Herabsetzungen, keine „Nun ist aber genug“-Erklärungen –, die zwangsläufig doch einen schalen Geschmack hinterlässt.

Man ist deshalb froh, wenn das Gespräch zwischen Braunsberg und Polanski sich endlich zurückwendet zu Polanskis Kindheit. 1933 in Paris als Sohn polnischer Juden geboren, die kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die fatale Entscheidung trafen, in ihre Heimat zurückzukehren, hat Polanski in wechselvoller und auch wundersamer Weise Naziverfolgung und Ghetto überlebt. Was und wie er davon erzählt, könnte fast einen eigenen Film bilden. An die alltäglichen Grausamkeiten der deutschen Barbarei erinnert er sich in aussagekräftigen Details, mit der heute noch in ihm spürbaren Perspektive eines hellwachen, staunenden Kindes. Interessant auch, wie sein Erzählen oft ins szenische Schildern und Ausagieren übergeht – das Papiertütenkleben hat sich als körperliche Erinnerung eingeprägt. Dass der Film dazu die „passenden“ Stellen aus Polanskis „Der Pianist“ einblendet, erscheint da fast als plumpe Tautologie.

Wie überhaupt die Filme in diesem biografischen Gespräch keinen richtigen Platz haben. Sie geben bald nur noch Jahreszahlen vor. Braunsberg fragt sich chronologisch durch Polanskis Leben, und es liegt in der Natur der Sache, dass die Schilderungen an Intensität verlieren, je weiter sie in die Karriere vordringen. Als der Film im Jahr 1969 und dem Mord an Polanskis Frau Sharon Tate ankommt, ist man dafür in gewisser Weise dankbar. Man merkt aber spätestens an dieser Stelle auch, dass Polanskis Leben und Werk jedes Format sprengen. Als „Hagiomentary“ mag „Roman Polanski: A Film Memoir“ sein Anliegen erfüllen, als Dokumentation bleibt der Film unbefriedigend, trotz seines in jeder Minute spannenden Materials.

■ „Roman Polanski: A Film Memoir“. Porträtfilm. Regie: Laurent Bouzereau. Großbritannien u. a., 2011, 90 Min.