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Archiv-Artikel

Caesar marschiert auf Schröders Heimatort

taz geht wählen - die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Lippe I

Lippe I?Nordrhein-Westfalens wilder Nordosten am Rande des Teutoburger Waldes. Traditionell rotes, mittelständisches Protestantenland. Die 232.000 Einwohner vereint eine Rose, das Wappenzeichen der Edelherren zur Lippe. Zehn Städte und Gemeinden umfasst der Wahlkreis: Bad Salzuflen, Lemgo, Kalletal, Lage, Dörentrup, Barntrup, Extertal, Leopoldshöhe, Oerlinghausen – und Blomberg, den Geburtsort von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Wer verteidigt den Wahlkreis?Schröders Statthalter in der alten Heimat tritt nicht mehr an. Seit 1987 saß Karl-Hermann Haack für die lippische SPD im Bundestag. Ein „Kanalarbeiter“, Mitglied des konservativen Seeheimer Kreises, bodenständig und unauffällig. Doch mit 65 fühlt sich der Apotheker und langjährige Behindertenbeauftragte der Bundesregierung reif für die Rente. Und aus dem rechten Flügel der Bundes-SPD ersetzen die schicken Netzwerker die knorrigen Seeheimer.Auch in Lippe schickt die SPD Nachwuchs ins Rennen. Für Dirk Becker, 39, geht damit ein Kindheitstraum in Erfüllung. „Ich war als kleiner Junge schon vom Bundestag fasziniert“, sagt er. Nun steht er auf einem ziemlich sicheren 27. Platz der Landesliste. „Vor einem Vierteljahr hätte ich noch jeden für verrückt erklärt, der mir gesagt hätte, dass ich kandidiere.“ Denn da war für den Verwaltungswirt seine bisher größte politische Niederlage noch frisch: Bei der Kommunalwahl scheiterte seine Bewerbung für das Bürgermeisteramt in Oerlinghausen.Wer will den Wahlkreis?Für die CDU tritt der Umweltpolitiker und Förster Cajus Julius Caesar an. Der Mann heißt wirklich so, sitzt seit 1998 für die Union im Bundestag und hat Witze über seinen Namen schon tausend Mal gehört. Eine Kostprobe bietet der 54-Jährige auf seiner Homepage an: „Angenehm, und ich bin Napoleon Bonaparte“, flachste ihn CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok an. Und Ex-Parteichef Wolfgang Schäuble kaufte Caesar seinen Namen erst ab, nachdem er einen Blick auf dessen Personalausweis geworfen hatte. Caesar nimmt es offenbar mit Humor: Zur Feier der „Lipper Tage 2004“ posierte er mit Toga und Lorbeerkranz.Wer sind die Außenseiter?Für die Grünen tritt Jutta Dümpe-Krüger an. Für die Jugendpolitikerin wird ihr Aufenthalt im Bundestag im September enden: Bei der Listenaufstellung ihrer Partei fiel sie durch. Listenmäßig besser abgesichert ist die liberale Energiepolitikerin und Yoga-Freundin Ute Kopp. Sie steht bei der nordrhein-westfälischen FDP auf Platz fünf.Die taz-Prognose?Im Teutoburger Wald ist schon einmal ein Caesar gescheitert: Im Jahre neun nach Christus holten sich die Legionen von Imperator Augustus bei der Varusschlacht eine blutige Nase. Doch wenn der SPD bis zum September weiter die Truppen weglaufen, könnte sich die Geschichte diesmal wenden. KLAUS JANSEN