: Pillen fürs Stillen
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL Viele Werbungen für Vitamine und Mineralstoffe richten sich speziell an stillende Mütter. Der Nutzen der Präparate ist jedoch häufig nicht belegt
■ Stillambulanz: im St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof, montags bis donnerstags von 9 bis 13 Uhr, mittwochs Stillgruppe, zahlreiche Infoveranstaltungen zum Stillen, Ort: Kinderklinik, 2. Etage, Zimmer 239, Bäumerplan 24, 12101 Berlin, telefonische Anmeldung unter (0 30) 78 82-27 31
■ Stillambulanz: im Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin-Reinickendorf, Stillberatung nach telefonischer Absprache unter (0 30) 1 30-12-22 87, Kosten: 10 €; Stillcafé: montags 14 bis 15.30 Uhr, dienstags 11 bis 12.30 Uhr, donnerstags 14.30 bis 16 Uhr, Kosten: 3 € pro Besuch, Anmeldung erforderlich unter (0 30) 1 30-12-22 87 Ort: Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Am Nordgraben 2, 13509 Berlin
■ Stillsprechstunde: in den DRK-Kliniken in Köpenick, jeden Montag und Donnerstag von 13 bis 14 Uhr im Stillzimmer der Wochenbettstation 8, 4. Etage des Bettenhauses, telefonische Anmeldung erwünscht unter (0 30) 30 35-32 40 oder 30 35-31 41, Ort: Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Salvador-Allende-Straße 2-8, 12559 Berlin
■ Stillhotlines: Telefonische Hilfe, die Tag und Nacht bei plötzlich auftretenden Stillproblemen zur Verfügung steht: Vivantes Humboldt-Klinikum: (0 30) 1 30-12-22 72; Kliniken für Geburtsmedizin der Charité: (0 30) 4 50-66 42 06
■ Hebammen: Beratung und angeleitete Stillgruppen bietet der Berliner Hebammenverband unter: www.berliner-hebammenverband.de
■ Informationen: Die Nationale Stillkommission bietet zahlreiche Informationsblätter zum Stillen an, darunter Empfehlungen zur Stilldauer und Tipps zum richtigen Anlegen des Kindes. Kostenloser Download beim Bundesinstitut für RisikobewertungBundesinstitut für Risikobewertung: www.bfr.bund.de/cd/711
VON MARTINA JANNING
Wenn es um Vitamine und Mineralstoffe geht, wollen viele Stillende auf der sicheren Seite sein und greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Schließlich suggeriert die Werbung, dass Mütter das Wohlergehen ihrer Kinder fahrlässig riskieren, wenn sie nicht genug Vitalstoffe zu sich nehmen. So heißt es über die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) zum Beispiel, dass sie über die spätere Intelligenz des Nachwuchses und sein Sozialverhalten entscheidet und ein DHA-Mangel in kritischen Entwicklungsphasen zu Fehl- und Unterentwicklungen des Gehirns führen kann, die sich im späteren Leben nicht mehr korrigieren lassen. Hersteller von DHA empfehlen daher, mindestens ab der 13. Schwangerschaftswoche bis zum Ende der Stillzeit DHA-Präparate einzunehmen. Doch ist das tatsächlich gerechtfertigt?
Dieser Frage ist Rolf Großklaus vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin nachgegangen. Der stellvertretende Leiter der Abteilung für Lebensmittelsicherheit hat analysiert, für welche Nahrungsergänzungsmittel der Nutzen für Stillende empirisch nachgewiesen ist. Im Falle von DHA kommt Großklaus zu dem Schluss, dass es keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage dafür gibt, stillenden Müttern die Einnahme von DHA als Nahrungsergänzungsmittel zu empfehlen. Auch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA (European Food Safety Authority) hatte erst im Herbst 2008 die Zulassung von drei gesundheitsbezogenen Werbeaussagen als unbelegt abgelehnt, die den Verzehr von Omega-3-Fettsäuren mit der Gesundheit von Kindern in Verbindung bringen.
Nach einer internationalen Konsensempfehlung sollten Schwangere und Stillende 200 Mikrogramm DHA pro Tag konsumieren. „Dieser Bedarf lässt sich durch zweimal Seefisch pro Woche decken“, sagte Großklaus auf einem Symposium der Nationalen Stillkommission im September in Berlin. Größere Mengen DHA kommen aber auch in pflanzlichen Ölen aus Leinsamen, Raps, Disteln oder Sonnenblumen vor.
Ganz generell kritisierte Großklaus die mangelnde Qualität von Untersuchungen zu Nahrungsergänzungsmitteln in der Stillzeit. Er betonte, dass die Teilnehmerinnen in solchen Studien oft Frauen aus Entwicklungsländern seien und mangelernährte Mütter Nahrungsergänzungsmittel verabreicht bekommen. Das verfälsche die Ergebnisse. Großklaus: „Wenn kein Vitaminmangel besteht, bringen zusätzliche Vitamine nichts.“
Bei einer ausgewogenen Ernährung bräuchten Stillende in der Regel keine Nahrungsergänzungsmittel, betonte Großklaus. „Die Versorgung mit Obst und Gemüse ist heute besser als vor zwanzig Jahren, nicht zuletzt durch Tiefkühlware“, sagte der Ernährungsmediziner.
Eine Ausnahme macht Großklaus jedoch bei Jod. Hier sollten Frauen bis zum Ende der Stillzeit zusätzlich zwischen 100 und 150 Mikrogramm Jod am Tag in Form von Tabletten einnehmen. Insgesamt sollte die tägliche Jodzufuhr in der Stillzeit bei 230 bis 260 Mikrogramm liegen.
Zwar hat sich die Jodversorgung in Deutschland verbessert, wie Rostocker Forscher unlängst in einer Untersuchung feststellten. Doch mehr als ein Drittel der Erwachsenen ist nach wie vor unterversorgt, und etwa 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben einen mäßigen, 7 Prozent einen schweren Jodmangel, ergab der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts von 2006. Laut dem Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund sind auch Säuglinge potenzielle Kandidaten für einen Jodmangel, weil das Zufüttern von – richtigerweise – salzarm zubereitetem Brei zu Jodmangel führen kann. Das FKE rät Eltern deshalb, ihrem Kind eine Beikost ohne Salz, aber mit Jod angereicherten Getreideflocken zu geben.
Anders als in der Schwangerschaft, wo Folsäure Missbildungen beim Kind vorbeugen kann, brauchen Stillende Folsäuretabletten bloß einzunehmen, falls ein Mangel an dem Vitamin Folat, etwa durch Unterernährung, besteht. Zu bedenken ist aber, dass stillende Frauen einen höheren Bedarf an Folat haben, weil sie den Verlust über die Milch ausgleichen müssen. Laut BfR sollten Stillende insgesamt 600 Mikrogramm Folat am Tag zu sich nehmen. Das Bundesinstitut verweist auf Untersuchungen, wonach insbesondere Stillende aus sozial schwachen Schichten ungenügend versorgt sind, und empfiehlt daher die Einnahme von Folsäure.
Großklaus nannte ferner einige Fälle, in denen während der Stillzeit Vitamin-D-Präparate Sinn machen. So sind Migrantinnen gefährdet, einen Vitamin-D-Mangel zu erleiden, weil sie kulturell und religiös bedingt ihre Haut weniger dem Sonnenlicht aussetzen. Zudem produziert dunkle Haut weniger Vitamin D, das ist zum Beispiel für Afrikanerinnen und Afroamerikanerinnen relevant. Zudem leiden oft dünne Teenagermütter an einem Vitamin-D-Mangel. Zu einem Defizit kann unter Umständen auch während der dunklen Wintermonate kommen. In den skizzierten Konstellationen hält Experte Großklaus Vitamin-D-Tabletten während der Stillzeit für angezeigt.