: „Die Linke ist zuverlässig“
Sparen Ulrich Nußbaum, Ex-Finanzsenator, regiert über 60 Milliarden Staatsschulden in Berlin. Im Interview erklärt er, warum er die kurzen Bremer Wege nicht mehr vermisst
■ Fisch-Unternehmer aus Bremerhaven, wurde 2003 Bremer Finanzsenator. Nach den Wahlen 2007 drängte ihn der SPD-Landesvorsitzende zum Eintritt in die Partei – und damit aus dem Amt. Seit Mai 2009 ist er Finanzsenator in einer rot-roten Koalition in Berlin.
INTERVIEW KLAUS WOLSCHNER
taz: Sie sind gerade auf dem Berliner SPD-Parteitag – worum geht es dort?
Ulrich Nußbaum: Die Berliner SPD arbeitet die Bundestagswahl auf, die SPD hat in Berlin noch schlechter abgeschnitten als sonst. Sie hat weniger Stimmen bekommen als CDU und Linke. Das macht viele nervös. Im September 2011 ist hier Wahl.
Sind Sie etwa Parteimitglied?
Nein.
Haben Sie noch einmal ein Eintrittsformular untergeschoben bekommen?
Nein. Ich denke, es hat sich herumgesprochen, dass sowas bei mir nicht so gut ankommt.
Sie sind jetzt gut fünf Monate im Amt – wie regiert es sich in Berlin im Vergleich zu Bremen?
Bremen ist ja eine relativ homogene Stadt, bürgerlich geprägt. Berlin ist dagegen multi-kulti, Sie haben ganz andere Probleme etwa bei der Immigration. Von meinen 22 Milliarden Euro gehen über vier Milliarden in Transfer-Leistungen. Die sozialen Brennpunkte sind ganz andere. Brennende Autos, die den Innensenator regelmäßig beschäftigen, hatten wir in Bremen doch recht selten. Berlin ist gleichzeitig Bundeshauptstadt, Sie werden – trotz der Landespolitik – auch aufgrund der starken Medienpräsenz deutlich stärker wahrgenommen. Man ist dichter am Puls der Republik.
In Bremen kann man über den Marktplatz spazieren und hat viele von denen, die man sowieso sprechen wollte, schon getroffen. Fehlt Ihnen das?
Ich habe es in Bremen immer genossen. Seitdem ich in Berlin bin, vermisse ich das nicht mehr. Weil das auch etwas Überschaubares, Kleinteiliges hat. Wenn man sich immer mit denselben Menschen austauscht, erzählt man sich immer dasselbe. Ich finde es interessant, mich hier in einer Weltstadt zu bewegen. Hier sind Sie, wenn Sie über den Marktplatz gehen, ein Stück schlauer geworden, weil Sie neue Leute gesprochen haben.
Haben sie als Finanzsenator öfter Déjà-vu-Erlebnisse?
Sicherlich, es geht oft um Kommunalpolitik, Kleingärten, Schulen, Kultur. Die Einheit hier ist der Bezirk, die haben aber zwischen 200.000 und 300.000 Einwohner. Mit 3,5 Millionen Einwohnern und einem Budget von 22,5 Milliarden Euro – Bremen hat rund vier – spielt das natürlich alles auf größerem Niveau. Berlin hat einen starken öffentlichen Bereich, sechs Immobiliengesellschaften mit 650.000 Wohneinheiten, den größten Nahverkehr, also Bus, U-Bahn, aber auch große Wasserwerke. Der Bereich der Öffentlichen Daseinsvorsorge ist deutlich stärker als in Bremen.
Was bedeutet das für einen Finanzsenator?
Schon aufgrund der Größe und der Vielzahl der Dinge kann ich nicht alles selbst machen. Ich habe zwei Staatssekretäre, ich brauche eine größere Vernetzung, die Strukturen sind um ein vielfaches größer als in Bremen.
Sie haben in Berlin Opposition von CDU und von Grünen.
Im Grunde hat sich an der Aufgabe nichts verändert, ich muss für meine Positionen in der Regierungskoalition Unterstützung organisieren, das sind hier die Linke und die SPD. Ich versuche, wie ich das in Bremen auch gemacht habe, Positionen zu vertreten, die rein sachlich begründet sind, ich bin ja parteilos, und da bekomme ich das ein oder andere Mal auch Beifall von der Opposition.
Und kann man mit der Linken ordentlich regieren?
Wir haben das bisher getan. Die Linke ist haushaltspolitisch ein zuverlässiger Partner. Man kann mit ihr arbeiten, auch wenn man ihre Position nicht immer teilt.
Ist das leichter als mit der Bremer CDU?
Ich tue mich schwer mit solchen Vergleichen. Es ist nicht inhaltlich leichter, aber aufgrund der Entscheidungsstrukturen ist es leichter. Wenn man Verabredungen getroffen hat, halten sich die Akteure daran und spielen nicht über Bande wie wir das in Bremen erlebt haben. Natürlich gibt es Diskussionen in der Sache, zum Beispiel wenn die Arbeitsmarktförderung machen wollen, dann muss man das auch finanzieren können. Wir verschulden uns gerade mit 5,6 Milliarden für den nächsten Doppelhaushalt.
Die Bremer Linke hat eine Verfassungsklage eingereicht gegen die Bremer Unterschrift unter die Schuldenbremse.
Das diskutiert die Linke hier auch.
Halten Sie es für realistisch, von 5,6 Milliarden Neuverschuldung in 2010/2011 auf null zu kommen bis 2020?
Ich habe eine Finanzplanung vorgelegt, die aufzeigt, wie man nach dem Haushalt 2010/2011, der sehr stark vom Kampf gegen die Krise geprägt ist, bis 2020 die Ausgaben mit den Einnahmen ausgleichen kann. Das verlangt die Schuldenbremse. Natürlich unter der Voraussetzung, dass uns die neue Bundesregierung nicht neue Steuersenkungen beschert und die Konjunktur nicht wieder einbricht. Das Ausgabenwachstum muss für Berlin auf 0,3 Prozent begrenzt werden, im Grunde also keine Steigerung, wenn sie die Inflation abziehen. Der Haushalt hat aber aus meiner Sicht noch Luft, so dass man das auffangen kann.
Sie haben anfangs in Bremen gesagt, Sie wollten auf Zeit Politik machen. Jetzt machen Sie den Eindruck, als hätten Sie so viel Spaß daran gefunden, dass Sie nicht mehr zurück nach Bremerhaven wollen.
Spaß hatte ich immer. Aber es hängt von den Voraussetzungen ab, in Bremen waren die 2007 nicht mehr gegeben. Zurzeit sind sie für mich in Berlin gegeben. Ich habe die Politik nicht zum Beruf gemacht, ich muss mich nicht davon ernähren, weil ich eine andere Basis habe. Ich will mir meine materielle und geistige Unabhängigkeit bewahren.