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Archiv-Artikel

„Für mich war es ein Wunder“

Wie wurden die US-Bombenabwürfe auf der Insel Vieques schließlich gestoppt? Der unermüdlicheWiderstand machte den Standort für die US-Truppen zu teuer. Zwei Frauen beschreiben den Weg zum Erfolg

taz: Wie lebt es sich an einem Bombenabwurfplatz?

Xana Conelly: Es waren so viele Bomben. Ich erinnere mich an eine Lehrerin: Sie stoppte jedes Mal den Unterricht, wenn wir etwas hörten. Es war konstant, bum, bum, bum.

Wie änderte sich der Widerstand nach dem Tod eines Inselbewohners auf Vieques durch den Fehlabwurf eines US-amerikanischen Bombers?

Conelly: Zwei Tage nach dem Tod von David stiegen etliche Fischer aus dem Ort und einige Jugendliche in ihre Boote und betraten vom Meer aus das Abwurfgebiet, wo der Unfall passiert war. Es waren auch viele Presseleute dabei. Sie wollten ein großes weißes Kreuz für David in der Nähe des Beobachtungspostens aufstellen, wo er getötet wurde. Der Plan war, das Kreuz als Symbol dort zu lassen und ins Dorf zurückzukehren. Aber einer der Männer sagte: Ich lasse das Kreuz nicht allein. Ich werde hier bleiben. Die anderen sagten: Du musst mit uns zurückkommen, die ganze Gegend ist verseucht. Doch der Mann blieb.

Was wollte er allein dort ausrichten?

Myrna Pagán: Als sie zurückkamen, sagte mein Sohn: Der Mann hat Recht. Wir können ihn dort nicht alleine lassen. Ich werde auch dorthin gehen.Und ein Sohn einer Fischerfamilie kam auch mit. Sie blieben auf dem Gelände. Daraufhin gingen immer mehr Menschen dorthin und blieben. Und die ganze Bevölkerung brachte ihnen Essen. Dieser Moment, als wir die Entscheidung getroffen haben: „Basta ya, es reicht“, gab den Menschen auf Vieques ihre Würde zurück.

Wie war die Reaktion der US-Marine auf die Proteste?

Pagán: Das ist für mich ein Wunder. Wenn sie gleich am ersten Tag gekommen wären und uns verhaftet hätten, dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch es dauerte ein Jahr, bis die US-Marine eingriff. Im Mai 2000 nahmen sie auf einen Schlag 200 Leute fest. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits mehr als 14 Camps innerhalb des Abwurfgebietes. Es gab ein Lehrercamp, Studentencamps, drei verschiedene Kirchencamps und eine ökumenische Kirche für alle. Und viele Menschen von der Hauptinsel kamen jedes Wochenende nach Vieques. Insgesamt wurden dann noch 1.500 Menschen verhaftet, viele saßen mehrere Jahre im Gefängnis.

Selbst während des laufenden Übungsbetriebes gingen Gegner auf das Gelände. War das nicht zu riskant?

Conelly: Da war auch sehr viel Glück dabei. Die Leute, die reingingen, haben immer große Tücher geschwenkt und ihr Kommen angekündigt. Aber es war auf jeden Fall immer sehr gefährlich.

Spielte für den schließlichen Erfolg die Unterstützung von puertoricanischen Politikern eine Rolle?

Pagán: Ja, ein wichtiger Punkt war auch, dass der Chef der Unabhängigkeitspartei sein Lager an einem Strand im Militärgebiet aufgeschlagen hat. Er blieb fast ein Jahr und eröffnete dort sein Büro, am Strand. Später baute auch die Partido Popular ein Haus vor dem Eingang der Marine. Wichtig war auch die Mitarbeit der Presse, auch aus Deutschland, Schweden oder Japan.

Mit welcher Begründung hat die Marine die Bombenabwürfe eingestellt?

Pagán: Weil es zu teuer war, all diese Leute durch die Bundesbehörden zu verhaften und all die Fälle vor Bundesgerichte zu bringen. Zudem schafften sie es nicht mehr, ihr gesamtes Gebiet umzäunt zu halten. Die Leute schnitten ständig die Zäune auf und gingen hinein. Das kostete zu viel Geld.

Was ist jetzt der Stand auf der Insel?

Pagán: Wir sagen: Der Kampf geht weiter. Wir haben 27 Prozent mehr Krebs, viele Fälle von Epilepsie, Herzproblemen, Diabetes, chronischen Atemswegserkrankungen und Asthma.

Conelly: Die Militärs wollen noch nicht mal zugeben, dass das ganze Gebiet kontaminiert ist. INTERVIEW: SABINE RIETZ