berliner szenen
: Mach mal Stevie Wonder an

Glaubst du wirklich, es ist eine gute Idee, heutzutage Texte über ein Auto zu veröffentlichen?“ Ich telefoniere mit meiner Schwester: „Es ist kein Auto, sondern ein Van.“ – „Umso schlimmer.“ – „Du wirst ja wohl meinen Van nicht mit einem SUV vergleichen wollen? Meinen G20 Chevy Van, Baujahr 1993, 8 Zylinder?“ – „Wie viel schluckt denn dein G20 Chevy Van?“ – „Er fährt mit Gas.“ – „Da hast du aber Glück gehabt. Ein Van kommt trotzdem nicht gut. Zumal er aussieht wie ein Pornoschlitten.“ – „Du übertreibst.“ – „Er ist laut.“ – „Nur beim Anlassen.“ – „Und wofür brauchst du diesen absurden Bass?“ – „Für die Party. Ich fahre ja oft gar nicht, sondern sitze nur drin und höre Musik.“ – „Zu groß ist er trotzdem.“ – „Das stört nicht, wenn er erst mal steht.“ – „Wofür brauchst du ein Auto, das steht?“ – „Es ist kein Auto…“ – „Jaja…“ – „Ich mag sein erotisierendes Moment.“ – „Sein was?“ – „Fahr doch einfach mal mit!“

Überraschend stimmt sie zu. „Alles okay?“, frage ich, als ich sie abhole.

„Ich habe mich mit meinem Freund gestritten.“ – „Worüber?“ Sie winkt ab. Wir drehen eine Runde durch Kreuzberg, an der Ampel den Subwoofer hochgedreht, Sonnenbrille auf, Arm aus dem Fenster. Bewundernde Blicke eines spanischen Touristen. Daumen hoch von einem Fahrradfahrer. Meine Schwester entspannt sich.

„Mach mal Stevie Wonder an.“ – „Zu wenig Bass.“ – „Michael Jackson?“ – „Trau ich mich nicht.“

Wir einigen uns auf Outkast. Ich drehe den Bass hoch. Die Sonne bricht sich an den verdunkelten Scheiben, meine Schwester zieht den Pulli aus. „Oh mein Gott, fahr mich nach Hause.“

Abends ruft sie an. „Wir haben uns versöhnt. Es war der beste Sex meines Lebens. Erotisierend ist untertrieben. Kann ich bald wieder mitfahren?“ „Klar“, sage ich, „ruf an, wenn du heiraten willst.“

Eva Mirasol