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Archiv-Artikel

Heimliches Videoauge

VERWERTUNGSVERBOT Hamburger Gericht lässt illegal entstandene Videoaufnahmen nicht als Indizien zu

Die Anklage: „Nötigung in einem besonders schweren Fall“ und „Beihilfe zur Sachbeschädigung“

Überraschung in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Hamburg: Gleich zu Beginn des Verfahrens gegen zwei linke Aktivisten hat der Vorsitzende Richter ein Verwertungsverbot für Teile der Beweiserhebung durch den Staatsschutz ausgesprochen: Dazu herangezogene Videoaufzeichnungen aus einem Internet-Café seien heimlich entstanden – und damit illegal.

Ursprünglich waren Jörg M. und Claudia F. der „Nötigung in einem besonders schweren Fall“ und „Beihilfe zur Sachbeschädigung“ angeklagt: Im Zusammenhang mit zwei Sachbeschädigungen bei Firmen, die am Bau eines umstrittenen Hotels im historischen Wasserturm im Hamburger Schanzenpark beteiligt waren, sollen sie die Bekennerbriefe verbreitet haben. Gegner des Hotelprojekts hatten am 25. Oktober 2005 Fahrzeuge einer Kernbohrfirma beschädigt. Am 25. November 2005 war der Fuhrpark eines beteiligten Betonunternehmens durch das Zerstechen von Reifen stillgelegt worden.

Jeweils danach soll M. die Bekenner-E-Mails verschickt haben. Ins Visier der Fahnder geriet er , nachdem die Hamburger Morgenpost die ihr zugegangene, zum ersten Vorfall gehörige E-Mail dem Staatsschutz überlassen hatte. Dieser ermittelte als Absender ein Internet-Café und stellte fest, dass dieses videoüberwacht worden war. Die Fahnder bedienten sich dieses Materials und ermittelten M., der sie als Aktivist zur „Wasserturm-Ini“ führte. In der Folge wurden sämtliche Angehörigen der Initiative über Wochen von der Polizei observiert.

Nun kam das Landgericht zu dem Schluss, dass die heimliche Videoüberwachung ein Eingriff in die „verfassungsrechtliche verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrechte“ war und „das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ beeinträchtigt habe. Somit dürften die Beweismittel im Fall der ersten Sachbeschädigung nicht verwendet werden.

Gericht und Verteidigung werden nun darüber streiten, welche Auswirkungen das Verwertungsverbot auf das Verfahren insgesamt haben wird: Während Richter Cornelius Neree davon ausgeht, dass die „Fernwirkung“ nicht auf den ganzen Komplex reiche, war aus Sicht der Verteidiger Andreas Beuth und Marc Meyer die fragwürdige Observation auf jeden Fall rechtswidrig.  KAI VON APPEN