Der Iran pokert gut
EU und USA sprechen Iran im Atomstreit die Souveränität ab. Im schlimmsten Fall wird sich die Bevölkerung aus Protest dagegen mit der ungeliebten Regierung solidarisieren
Der neue Präsident Irans mag einen irritieren, er hat aber mit dem Atomstreit wenig zu tun
Die Aussicht, dass Iran in absehbarer Zeit über die Atomwaffe verfügt, ist bestimmt nicht verführerisch zu nennen. Dem Regime würde es zum Machterhalt dienen. Und das will kein demokratisch eingestellter Iraner. Das Problem aber ist: Die Europäer verfügen leider nicht über gute Argumente. Wenn es jetzt hier heißt, die Europäische Union habe den Iranern ein „richtig gutes“ Angebot gemacht, so ist das nicht nur für die verhassten herrschenden Kleriker, sondern auch für die normale Bevölkerung „nicht akzeptabel“. Sogar lachhaft.
Denn: Iran ist dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten. Laut diesem Abkommen haben die Iraner nun das Recht, Uran in Uranhexafluorid umzuwandeln. Dabei müssen sie sich nicht einmal überwachen lassen. Doch sogar das haben die Iraner der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) angeboten. Sie dürfe in Isfahan Überwachungskameras installieren, hat das Regime in Teheran erklärt, obschon es dies gar nicht zulassen müsste.
Das Angebot der Europäer besteht darin, den Iranern aufbereitete Kernstäbe bereitzustellen, und ist verbunden mit der Forderung, diese Kernstäbe müssten nach der Nutzung in einer zivilen Anlage zur Entsorgung an die Länder zurückgegeben werden, die sie zur Verfügung gestellt haben. Das Ziel der Iraner aber ist, den Brennstoffkreislauf völlig zu beherrschen. Diese Technik ist inzwischen zu einer Frage des Nationalstolzes geworden.
„Wir können es, wir haben das Recht, wir wollen beweisen, dass wir mitziehen können mit anderen weit entwickelten Technologienationen in der Region, überhaupt haben wir das Potential zu einer Regionalmacht.“ So liest sich das im iranischen Originalton. Diesem selbstbewussten Gegenüber kann man keine Peanuts mehr anbieten. Und nichts anderes haben die Europäer getan.
Eine Sache sollten die Europäer bei ihrer Iranpolitik – egal wie sie ausfällt – niemals vergessen: Nehmt sie ernst, nehmt, was sie sagen nicht auf die leichte Schulter. Da machen keine stumpfsinnigen Radikalen Politik, sondern Leute, die sehr pragmatisch regieren und reagieren und beileibe nicht dumm sind. All ihrer dumpfen Rhetorik zum Trotz: Eine ganze Reihe der Herrschenden versteht etwas von ihren Job. Und sie weiß sich auf der sicheren Seite.
Die Iraner wollen Sicherheitsgarantien. Doch davon war in dem europäischen Vorschlag keine Rede. Deshalb war das Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt. Natürlich können die Europäer diese Sicherheitsgarantien auch gar nicht geben. Das können nur die Amerikaner. Die aber wollen dieses Regime loswerden, erklären sie immer wieder – schließlich ist es ja für Präsident Bush ein Schurkenstaat. Daher fühlt sich Iran bedroht. Immerhin wurden in den letzten vier Jahren zwei Nachbarstaaten der Islamischen Republik angegriffen.
Zudem haben die Iraner gelernt: Wer Atomwaffen hat, wird nicht angegriffen – siehe beispielsweise Nordkorea. Wenn man sie nicht hat, muss man hingegen mit einem Angriff rechnen, wenn die USA sich für bedroht hält – siehe Irak.
Worauf setzen die Iraner also? Wenn das Problem vor den Sicherheitsrat geht – damit drohen die Europäer nun, und die USA schon seit längerem – dann tippt Iran darauf, dass Russland und China quer schießen würden: China hat bedeutende wirtschaftliche Interessen in Iran. Die Volksrepublik sichert ihren Energiebedarf durch Iran. Und Russland verkauft den Iranern die Atomtechnologie, die sie wollen. Und zwar teuer. So leicht wird die Auseinandersetzung im Sicherheitsrat deshalb nicht zu lösen sein. Und das wissen die Iraner.
Hinzu kommt, dass sie stur sind. Warum, denken sich viele, gibt es diese Zweiteilung der Welt? Warum die, und nicht wir? Warum schreiben die uns vor, was wir zu tun und zu lassen haben. Man sollte sich davor hüten, Iraner so weit zu bringen, dass ihr Mossadegh-Komplex hochkommt. Im Jahre 1953 putschte der CIA den demokratischen gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh aus seinem Amt – weil er das iranische Erdöl verstaatlicht hat. Die meisten Iraner wollten diese Verstaatlichung so, aber die Großmacht nicht. Dagegen lehnte sich die Kleinmacht vergebens auf und mit ihr das Volk. Selten war das iranische Volk so vereint und so stolz: „Wir lassen uns nicht reinreden, wir sind eine autarke Nation.“
Dieser Komplex kann nur zu etwas führen, das der Westen nicht will: dass sich das Volk wieder hinter ihr Regime stellt und es wirklich stützt. Und auch die anderen Staaten, denen nicht erlaubt ist, die Bombe zu bauen, könnten sich zu Unterstützern der Iraner erklären. Auch sie verspüren eine Ungerechtigkeit und das macht die gegenwärtige Diskussion noch gefährlicher.
Es ist auch nicht prinzipiell unlogisch, wenn der neue iranische Präsident sagt, er wolle eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten. Natürlich will er sie, denn dann ist sein Regime nicht mehr gefährdet. Wenig Friedenswille spricht aus diesen Worten und gemütlich zurücklehnen kann man sich deswegen auch nicht. Wille zum Machterhalt, der Wunsch nach dem Bestand des Regimes, ist Motivation seiner Äußerung.
Dass wir es jetzt mit einer Verschärfung des Konflikts, einer radikaleren iranischen Position zu tun haben, ist die zweite seltsame These, die umgeht in diesen Tagen. Warum eine Verschärfung wegen diesem Präsidenten?, kann man nur zurückfragen. Er hat damit nicht viel zu tun. Die Iraner werden nur langsam ungeduldig. Die iranische Position ist seit Monaten klar. „Wir geben die Kontrolle des Brennstoffkreislaufes nur auf, wenn wir dafür ein attraktives Gegenangebot bekommen“, sagen sie schon die ganze Zeit.
Die Iraner haben gelernt: Wer Atomwaffen hat, wird nicht angegriffen – siehe Nordkorea
Was ist Neues dazugekommen, außer dass diese Position jetzt von einem Mann vertreten ist, dem vorgeworfen wird, in die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft verwickelt gewesen zu sein und zudem in einige Morde an Oppositionellen in Ausland? Das kann einen irritieren, hat aber mit dem Atomstreit wenig zu tun.
Vergessen darf man in diesem Zusammenhang nicht: Jeder Präsident, der die Urananreicherung aussetzt, muss dies dem iranischen Volk plausibel erklären können. Er braucht einen guten Deal, den er seinem Volk verkaufen kann. Immerhin hat der Wächterrat, eine der wichtigsten Institutionen der Islamischen Republik, noch vor kurzem erklärt, die Urananreicherung sei erklärtes Ziel der iranischen Politik.
Hinzu kommt etwas anderes: Die Richtlinien der Politik werden in Iran nicht vom Präsidenten bestimmt, sondern vom Revolutionsführer. Insofern ist die These nicht schlüssig, wegen des Amtsantritts von Ahmadinedschad schlügen die Iraner nun einen härteren Kurs ein. Jetzt sprechen sie lediglich mit einer Zunge. Und im Grunde gilt nach wie vor: Sie pokern. Und bei allem Unbehagen, dass es einem bereitet, muss man zugeben: Sie pokern nicht mal schlecht.
KATAJUN AMIRPUR