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Archiv-Artikel

Ein Geuro zum Abwerten

SCHULDEN Manche Ökonomen schlagen eine regionale Parallelwährung für Griechenland vor. Eine Lösung mit erheblichen Risiken

Euro oder Drachme? Auf diese Alternative reduziert sich oft die Diskussion, wie die Eurokrise in Griechenland zu lösen sei. Doch der ehemalige Chefsvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, schlägt eine dritte Variante vor: einen „Geuro“. Die Griechen könnten doch einfach im Euro bleiben – und gleichzeitig eine weitere Währung für den heimischen Gebrauch einführen. Spätestens seit diesem Geuro-Vorschlag macht eine alte Idee wieder Karriere: die Parallelwährung, oft auch Komplementär- oder Regionalwährung genannt.

Die Debatte um einen griechischen „Geuro“ führt exemplarisch vor, was für und gegen eine Parallelwährung spricht. Um mit den Vorteilen zu beginnen: Die griechische Regierung müsste nicht mehr sparen und das Land damit in eine Rezession stürzen, sondern könnte endlich die heimische Wirtschaft stimulieren, indem sie Schuldscheine in einer eigenen Währung ausgibt. Die Regierung würde also ihre Angestellten, die Rentner und alle inländischen Lieferanten mit diesem Geuro bezahlen. Es käme zwar zu einer starken Inflation bei allen Importprodukten, da Ausländer den Geuro nur mit einem Abschlag akzeptieren würden. Aber diese Abwertung – Mayer schätzt sie auf 50 Prozent – würde die Exportchancen der Griechen steigern.

Andere Volkswirte sind weniger begeistert von einer Parallelwährung für Griechenland. So prognostiziert der Wirtschaftsweise Peter Bofinger einen Volksaufstand der Griechen: „Während sich die Einkommen der von Geuro-Zahlungen Betroffenen faktisch halbieren, müssten sie Mieten, Pachten und Zinszahlungen weiterhin in unveränderter Höhe in Euro zahlen.“ Irgendwann würden zwar alle Geldströme an das neue System angepasst – „aber ein solcher unkoordinierter Übergangsprozess wäre mit hohen politischen und ökonomischen Risiken verbunden“. Bofingers Fazit: Eine Parallelwährung wäre die schlechteste aller Varianten.

Viele Parallelwährungskonzepte werden jedoch nicht nur von der Hoffnung getrieben, dass man damit die heimische Wirtschaft stärken könnte. Ein zweiter Theoriestrang ist mindestens genauso stark: die Kritik am Zinseszins, der dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Vermögenswerte exponentiell wachsen. Daher soll ein zinsloses Geldsystem geschaffen werden.

Diese Zinskritik wird oft mit dem Jesus-Groschen illustriert. Man stelle sich vor, Joseph von Nazaret hätte einen Groschen zur Bank getragen, um für seinen Sohn Jesus vorzusorgen. Nach mehr als 2.000 Jahren wäre daraus ein Billionenvermögen geworden.

Dies ist zwar nur eine Anekdote, aber trotzdem: Wo ist dieses Vermögen? Schon die Mesopotamier wussten schließlich, wie man den Zinseszins berechnet, und haben entsprechende Kredite vergeben. Doch niemand fühlt sich heute in ihrer Schuld.

Volkswirte widersprechen den Zinskritikern vehement. Sie verweisen darauf, dass mit den Zinsen auch das Risiko abgegolten wird, dass der Kredit platzt. Und dass schon die Geldentwertung meist ausreicht, um das exponentielle Zinswachstum zu verhindern. Auch derzeit liegen die Zinsen wieder unter der Inflation. Nicht weil die Inflation so hoch wäre – sondern die Zinsen so niedrig. ULRIKE HERRMANN