: Gewerkschafter werden Linkspartei-Fans
Arbeitnehmervertreter in der traditionellen SPD-Hochburg Ruhrgebiet treten für das neue linke Wahlbündnis ein. Doch es gibt auch skeptische Stimmen: „Hitler ist auch durch Grabenkämpfe innerhalb der Linken an die Macht gekommen“
BOCHUM taz ■ Betriebsräte und Gewerkschafter in der SPD-Hochburg Ruhrgebiet wenden sich der Linkspartei zu. Nicht bei allen fällt die Positionierung so deutlich aus wie bei Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender bei Opel in Bochum: „Die SPD ist nicht mehr wählbar, deshalb habe ich einen Wahlaufruf für die Linkspartei unterzeichnet.“
Viel Enttäuschung über mangelnde Unterstützung bei dem jüngsten Arbeitskampf der Bochumer Opelaner schwinge da mit. „Unter Schwarz-Gelb wird es nicht besser. Aber man kann nicht immer mit dem Argument des kleineren Übels SPD kommen“, so Einenkel zur taz. Die Linkspartei könne zu einem wichtigen Sprachrohr werden.
Nicht ganz so deutlich wird der Gelsenkirchener IG-Metall-Bevollmächtigte Alfred Schleu. Eine Wahlempfehlung werde es nicht geben. „Unsere Aufgabe ist, Politik für die Menschen in den Betrieben zu stärken“, sagt er. Aus ArbeitnehmerInnensicht sei es positiv, dass sich mit der Linkspartei die Parteienlandschaft wandelt. Die SPD werde sich wegen der Konkurrenz von links stärker mit den tatsächlichen Bedürfnissen ihrer Basis beschäftigen, hofft er.
Diese Hoffnung hat die Gelsenkirchener Vaillant Betriebsrätin Yasemin Rosenau nicht. Auch sie hält die Gysi/Lafontaine-Truppe für eine interessante Alternative. „Meine Partei ist die Gewerkschaft“, stellt sie jedoch klar. Die Linkspartei könne eine große Koalition nach der Bundestagswahl wahrscheinlicher machen, befürchtet die parteilose Betriebsrätin. „Dann werden Leute wie Wirtschaftsminister Wolfgang Clement die SPD stärker an die CDU heranrücken.“ So könne die eigentlich zu begrüßende Linkspartei negative Folgen haben. „Ein Dilemma“, so Rosenau. Ein Dilemma, das ihre Duisburger Kollegin Ute Kellert nicht weiter schert. Die Konzernbetriebsrätin der Duisburger Kliniken und aktive Montagsdemonstrantin setzt auf die Selbstorganisation der Menschen und auf ihre Gewerkschaft Ver.di. „Parteien haben mich zu häufig enttäuscht“, sagt sie. Der PDS könne sie wegen ihrer Politik in den rot-roten Landesregierungen nichts abgewinnen.
Alle Parteien in einen Sack stecken und drauf hauen, das würde auch Thomas Kamp am liebsten tun. Ausnahme: die neue Linkspartei. Thomas Kamp ist Betriebsrat bei Hoesch-Spundwand in Dortmund. In einem monatelangen Arbeitskampf verhinderte die Belegschaft Ende der 90er Jahre den Ausverkauf ihres Betriebs. Jetzt würde mindestens die Hälfte seiner Betriebsratskollegen die Linkspartei wählen, schätzt Kamp.
Im Ergebnis werde so eher das bürgerliche Lager gestärkt, befürchtet der Vorsitzende der DGB-Region Emscher-Lippe, Josef Hülsdünker. „Spaltungen auf der linken Seite haben der Gewerkschaftsbewegung nie genützt“, sagt er. Das zeige auch ein Blick in die Geschichte. Gleichwohl kritisiert er die Regierungspolitik der SPD, der er seit Jahren angehört. Statt auszutreten wolle er in der SPD für andere Mehrheiten arbeiten.
Das will auch Walter Hüßhoff, Vorsitzender der IGBCE in Gladbeck. „Ich bin bewusst zurückgekehrt in den Schoß der Partei“, sagt er. Verlassen habe er die SPD aus Protest gegen die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg 1999. Die Angst vor Weimarer Verhältnissen habe ihn zum Wiedereintritt bewogen. „Hitler ist auch durch die Grabenkämpfe innerhalb der Linken an die Macht gekommen“, mahnt er. Nur eine einige Linke sei handlungsfähig. Dem neuen Linksbündnis prophezeit er ein rasches Ende: „Die haben mit Lafontaine und Gysi gleich zwei Könige. Das geht nicht gut.“
MANFRED WIECZOREK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen