Hype, Hype, Hurra!
Unnütze Technik (3): Hochauflösendes Fernsehen für alle ist weiter Zukunftsmusik, da die Produktion zu teuer ist
Das Geld, das mein Media Markt jedes Jahr in Regalumbauten und Verlagerung der Verkaufsflächen investiert, das würde schätzungsweise ausreichen, mir ein halbes Jahr lang ein sorgenfreies Leben in einigem Braus (wenn auch nicht in Saus) zu sichern. Jetzt war es schon wieder einmal so weit: Am hinteren Ende des Flachbaus ist alles eingerichtet für die Präsentation von Superfernsehern. Zehn bis 15 Flachbildschirme sind’s wohl jetzt schon, die mich für die schöne Welt des neuen Fernsehens begeistern sollen: High Definition Television (HDTV), der letzte Schrei aus Amerika und Japan soll das sein.
Doch so neu ist das Ganze gar nicht. Die Japaner sind schon seit 20 Jahren dabei, und auch die Europäer haben Ende der 80er-Jahre schon einmal versucht, den Zuschauern hochauflösendes Fernsehen schmackhaft zu machen. Aber die Zeit war noch nicht reif: Es gab nur Röhrenfernseher, die bei entsprechender Größe wegen des dicken Glases an die 100 Kilo wogen. Und auch das Fernsehsignal war noch analog, obwohl das Zeitalter des digitalen Fernsehens heraufdämmerte.
HDTV, und zwar digitales, ist nun der allerletzte Schrei. Seit fast zwei Jahren ist die Fachpresse voll mit Berichten zum Thema, Premiere und ProSiebenSat.1 haben schon diverse Testsendungen über einen speziellen Satellitenkanal ausgestrahlt. Premiere will gar ab November drei Spartenkanäle komplett in HDTV ausstrahlen. Selbst bei Aldi und Plus stehen schon angeblich HDTV-kompatible Flachbildschirme im Regal. Alles deutet darauf hin, dass die diesjährige Funkausstellung IFA mal wieder ein Thema hat, über das jeder spricht. Doch die Rechnung ist ohne den Wirt gemacht und das sind in diesem Fall die Programmveranstalter: Es gibt einfach nicht genügend Programmmaterial für die Vollversorgung mit HDTV. Wer will schon vorfahrende Limousinen am Kanzleramt in Hochauflösung sehen. Kriegsbilder aus Afghanistan oder Irak werden mit herkömmlichen Kameras aufgenommen. Die „Wiso“-Reportage, der „Monitor“-Bericht, die Talkshow und die Daily Soap werden auf absehbare Zeit nicht in HDTV ausgestrahlt: Zu groß ist im Alltagsgeschäft der Produktionsaufwand für die Superbilder. Kein Wunder, dass ARD und ZDF sich in Sachen HDTV ziemlich reserviert zeigen.
Was bleibt, ist die Nische für Premiere: Spielfilme, Sport und hochwertige Dokumentationen à la Discovery. Am ehesten wird sich HDTV noch über neuartige DVD-Laufwerke und im Computerbereich durchsetzen, wenn sich denn erst mal die verschiedenen verfeindeten Herstellerlager auf eine gemeinsame Norm für den DVD-Nachfolger einigen können. Alles andere ist heiße Luft. Aber trotzdem: Guten Umsatz, Aldi! Jürgen Bischoff