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Archiv-Artikel

Der Geheimdienstchef Gaddafis ist wieder zuhause

LIBYEN Mauretanien liefert Abdullah Senussi sechs Monate nach seiner Festnahme nach Tripolis aus

BERLIN taz | Mauretanien hat am Mittwoch überraschend den ehemaligen libyschen Geheimdienstchef Abdullah Senussi nach Tripolis ausgeliefert. Der enge Mitarbeiter von Muammar al-Gaddafi war im März auf der Flucht von den Behörden am Flughafen von Nouakchott festgenommen worden.

Die libysche Übergangsregierung hatte seitdem die Auslieferung des „Schlächters von Tripolis“ gefordert. Auch Frankreich und der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wollen Senussi vor Gericht stellen. Ein Pariser Gericht verurteilte den Schwager Gaddafis in Abwesenheit für den Anschlag auf ein Passagierflugzeug im Jahr 1989, bei dem 170 Passagiere starben.

Geächteter Terrorstaat

Weitere Attentate trugen die Handschrift des libyschen Geheimdienstes und machten Gaddafis sozialistische Volksrepublik schließlich zum international geächteten Terrorstaat: der Anschlag auf den Pan-Am-Flug 103 über dem schottischen Lockerbie mit 243 Toten, das Attentat auf die Berliner Disco La Belle sowie Dutzende Morde an Gaddafi-Gegnern im Ausland.

Während sich viele Libyer von einem Prozess gegen Senussi den Beginn des Versöhnungsprozesses erhoffen, werden seine Kollegen einiger westlicher Geheimdienste hoffen, dass er vor Gericht schweigt. Nachdem Gaddafi sich 1999 von Terror und Atomwaffen offiziell abgewandt hatte, wurde Senussis Geheimdienst zum Partner der CIA, des britischen MI5 und anderer. Man bekämpfte den gleichen Gegner: islamische Fundamentalisten.

Höhepunkt des Terrors und der Anfang vom Ende des Duos Gaddafi/Senussi war das Massaker von Abu Salim in Tripolis im Jahr 1996. In drei Stunden exekutierten die Aufseher 1.402 politische Gefangene. Das war Gaddafis Antwort auf die Forderungen der Insassen des berüchtigten Gefängnisses nach besseren Haftbedingungen. Senussi organisierte die Logistik und Vertuschung des Verbrechens so effektiv, dass viele Angehörige bis zum vergangenen Jahr glaubten, die Häftlinge seien am Leben.

„Wir brachten den Wächtern in Abu Salim regelmäßig Essenspakete für meinen Bruder“, sagt der Grafiker Khaled Embarek aus Tripolis. „Die Behörden ließen uns 15 Jahre lang in dem Glauben, er sei in Isolationshaft, lebe aber noch.“ 2011 konnte der Geheimdienst die Wahrheit nicht mehr verbergen. Das öffentliche Entsetzen über das Massaker von Abu Salim war ein Auslöser der Revolution. „Ich möchte nur wissen, was mit meinem Bruder genau passiert ist. Das Schweigen über all die Verbrechen muss endlich ein Ende haben“, sagt Embarek. MIRCO KEILBERTH