Miethaie stillen ersten Hunger

Essener MieterInnen spüren als erste die Folgen der Mega-Deals auf dem Wohnungsmarkt: Die Deutsche Annington erhöht die Mieten um bis zu 20 Prozent. Mieterschützer: „Erst der Anfang“

von MIRIAM BUNJES

Viele MieterInnen im Ruhrgebiet erhalten in den kommenden Wochen unangenehme Post: Ein halbes Jahr nachdem die Düsseldorfer Deutsche Annington, eine Tochter der britischen Investmentfirma Terra Firma, 4.500 Mietwohnungen von RWE kaufte, werden die BewohnerInnen zur Kasse gebeten. Insbesondere in Essen kündigte die Deutsche Annington zum Teil drastische Mieterhöhungen an.

Hier gehören der Beteiligungsgesellschaft fast 2.400 Wohnungen. Bei rund einem Viertel werden die Mieten erhöht, bei jeder zehnten schöpft die Annington den gesetzlichen Mieterhöhungs-Rahmen voll aus: Zahlreiche MieterInnen müssen zwanzig Prozent mehr Kaltmiete zahlen. „RWE hatte die Mieten über drei Jahre lang nicht erhöht“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Sie hätten deshalb weit unter dem jeweiligen Mietspiegel gelegen.

„Es war zu erwarten, dass die großen Investmentfirmen die Preisschraube anziehen“, sagt Michael Wenzel, Geschäftsführer des Mietervereins Bochum. Einer Investmentfirma gehe es eben in erster Linie darum, für ihre Anleger so viel Geld wie möglich zu erwirtschaften. „Je höher die Mieteinnahmen, desto besser können die Miethäuser weiter verkauft werden“, sagt Wenzel: „Das war jetzt erst der Anfang, im Ruhrgebiet wurden die Weichen neu gestellt.“

Tatsächlich sind inzwischen mehr als 200.000 nordrhein-westfälische Wohnungen im Besitz von Investmentfirmen, die Mutterkonzerne sitzen häufig in den Vereinigten Staaten oder in Großbritannien. Zur Zeit schließt allein die Deutsche Annington den Kauf von 152.000 Wohnungen der Eon Tochter Viterra ab. „Offenbar ist der Immobilienmarkt für diese Art Unternehmen ein lohnendes Geschäft“, sagt Mieterschützer Wenzel: „Die Belange der Mieter rücken dabei natürlich in den Hintergrund.“

Die Mietervereine sahen in den Mega-Deals des nordrhein-westfälischen Immobilienmarktes von Anfang an eine Gefahr für die MieterInnen. Die Bestände würden höchstwahrscheinlich weiterverkauft werden – mit fatalen Folgen für die ganze Region. „Das Ruhrgebiet ist notwendigerweise ständig in einem städtebaulichen Wandlungsprozess“, sagt Wenzel. „Das ist mit unzähligen Wohnungsbesitzern kaum möglich.“ Durch die immer weiter gehende Privatisierung des nordrhein-westfälischen Wohnungsbestandes fürchtet Wenzel außerdem zunehmende Ausgrenzung von Minderheiten. Und drastische Mieterhöhungen – wie sie bei der Deutschen Annington jetzt stattgefunden haben.

Insbesondere die verschuldeten Ruhrgebietskommunen hätten kein Interesse mehr am städtischen Wohnungsbau, fürchtet Wenzel. „Man darf das Thema Wohnen nicht dem freien Markt überlassen“, warnt er. „Sonst verschärft sich das soziale Gefälle noch deutlicher.“

Deshalb protestiert eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer nordrhein-westfälischer Mietervereine zur Zeit auch gegen die von der schwarz-gelben Regierung angekündigte Aufhebung der Kündigungssperrfrist. Ohne die Sperrfrist haben Mieter nur eine dreijährige statt eine achtjährige Kündigungsfrist. „Der Wohnungsmarkt wird so noch mehr zum Spekulationsobjekt“, sagt Wenzel.