Die coole Stimme aus dem Off

Mit der deutschen Fassung der Serie „Die 2“ brachte er vor 30 Jahren das verschnarchte ZDF auf Trab – und die Zuschauer wirklich guter Komik näher. Ein Besuch bei Rainer Brandt, dem letzten Meister der Synchronisation

VON CORINNA STEGEMANN

„Sausack!“, flucht der Taxifahrer deftig! Ein Jaguar-Cabriolet saust laut hupend an unserem Taxi vorbei und biegt in die Einfahrt einer Villa im Villenviertel von Kleinmachnow ein. Wir raunen uns zu „Das war er …“ Wir sind mit Rainer Brandt verabredet!

Rainer Brandt – die Synchronisations-Legende, eine Kultfigur unter den Film- und Fernsehschaffenden in Deutschland. Fast jeder kennt seine Stimme. Rainer Brandt synchronisierte unter anderem Tony Curtis, Terence Hill, John Lennon, Tony Randall, Elvis Presly, Louis De Funès, Jean-Paul Belmondo und Adriano Celentano – um nur einige von sehr vielen aufzuzählen. Und er war verantwortlich für die deutschen Dialogbücher von Serien wie „M.A.S.H.“, „Fawlty Towers“, „Frasier“, „Seinfeld“ oder „Männerwirtschaft“ – um abermals nur wenige aufzuzählen. Aber zur Kultfigur wurde er sicherlich in den Siebzigern, als er zusammen mit seinem Freund Karl-Heinz Brunnemann, der damals schon ein eigenes Synchronstudio besaß, den Auftrag bekam, die britische Serie „Die 2“ (The Persuaders) für das ZDF „einzudeutschen“.

„Die 2“! Das war die Serie mit den beiden steinreichen Playboys Danny Wilde und Lord Brett Sinclair (dargestellt von Tony Curtis und Roger Moore), die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun hatten, als schnelle Autos zu fahren, schöne Frauen zu verführen, sich zu prügeln und en passant mit komischen Sprüchen abgrundtief böse Verbrecher zu erschießen oder anders unschädlich zu machen.

Im Gegensatz zum Taxifahrer freuen wir uns wie die Schneekönige, denn es ist ein schöner sonniger Tag und wir sind sehr davon angetan, dass Herr Brandt sich auf der Straße tatsächlich „dannywildesk“ benimmt. Aber nicht nur auf der Straße! Als wir ihm die letzten Meter zu Fuß in die alte Villa mit seinem Synchronstudio folgen, begrüßt er uns mit den Worten: „Schönen guten Tag. Möchten Sie vielleicht zunächst eine Dusche nehmen?“ Das möchten wir nicht, wir möchten ihn befragen. Wir möchten wissen, wie ausgerechnet im – mit Verlaub – leicht verschnarchten ZDF vor über 30 Jahren eine derart lustige, deutsche Fassung einer – mit Verlaub – ebenfalls leicht verschnarchten, britischen Serie entstehen konnte.

„Wir haben die überrumpelt“, erzählt Brandt, während er uns schwarzen Kaffee eingießt. „Sie mögen doch schwarzen Kaffee, auch wenn Sie von der roten taz kommen? Es war also so: Wir haben die überfahren! Das ging ganz, ganz schnell. Die sagten: ‚Wir müssen die erste Folge eine Woche früher senden, kriegt ihr das hin?‘ Und wir haben uns das angesehen und dann gesagt: ‚Ja, das kriegen wir schon hin. Aber wir machen das etwas lockerer.‘ Das hätte ja sonst keiner angeschossenen Großmama die Bananen aus den Zähnen gezerrt!“

Rainer Brandt ist jetzt 67 Jahre alt, aber er sieht allerhöchstens aus wie 58. Allerhöchstens. Und er ist sehr angenehm. Wir fühlen uns bei ihm schlichtweg wohl. Er hat auch äußerlich durchaus Ähnlichkeit mit Tony Curtis. Und er hat eine warme Art und einen leicht obszönen Humor, der niemals unangenehm wird.

„Als wir dem ZDF-Redakteur dann das Ergebnis unserer Synchronfassung der ersten Folge von ‚Die 2‘ vorführten, da lachte er Tränen und klopfte sich auf die Schenkel. Am Schluss wischte er sich die Lachtränchen aus den Augen und sagte: ‚Okay, das war sehr lustig. Und jetzt zeigt mir bitte die richtige Fassung.‘ Aber wir hatten ja keine andere Fassung und der Sendetermin stand kurz bevor, also wurde das gesendet. Ich dachte, dass das ZDF mich nach der Ausstrahlung mit Maschinengewehren vom Gehöft jagt, aber das Ding kam an. Nur das Volk war erst mal in Ruhestellung. Die ganzen Lauschlappen waren hochgefahren: ‚Was wird denn das? Was ist denn das?‘ Aber von drüben, vom Leichenberg, kam nüscht.“

Das ZDF hat seinen Sitz auf dem Lerchenberg in Mainz.

„Und dann kam die zweite Folge, und die schlug ein wie ein schweres Gewitter. Das, was abends zuvor im Fernsehen gesagt wurde, hörte man dann morgens im Bus. Die Kids und Erwachsenen haben sich mit unseren Sprüchen zugeschmissen. Es war ein Riesenerfolg! Dann tauchte plötzlich auch der Herr vom ZDF wieder auf und sagte: ‚Haben wir das nicht toll gemacht?‘ Und dann haben wir so weitergemacht und dem Affen so richtig Zucker gegeben.“

Das Besondere an Brandts Arbeit ist, dass er die Bewegungen der Schauspieler mitsynchronisiert. Er füllt auch Stellen mit lustigem Text, die im Original einfach leer sind. „Ich sehe mir den Film erst mit Ton an, und dann noch mal ohne Ton. Und ich gucke mir genau die Bewegungen an und überlege mir, was man daraus machen kann. Auf die Bewegungen kann man ja noch und nöcher lustigen Text legen. Wir haben ja teilweise ganz andere Storys gemacht.“

Rainer Brandt kennt noch die meisten der Sprüche und Ausdrücke, die er erfunden hat und die später ins Volksgut übergingen. „Tschüssikowsky“ ist von ihm und der schöne Spruch „Sleep well in your Bettgestell“, mit dem unsereins in Kinderjahren von den Eltern ins Bett gelegt wurde. „‚Na, Meisterchen, schon frisch im Schritt‘ fanden wir einfach lustiger als ‚Guten Morgen, Mr. Miller‘“, sagt er.

Fast alle Serien und Filme, die von Brandt bearbeitet wurden, waren große Erfolge, und man fragt sich, warum das ZDF nicht weiterhin alles von ihm übersetzen und synchronisieren lässt. „Das liegt an den jungen, dynamischen Menschen, die jetzt überall in den Direktionsetagen sitzen“, sagt Brandt. „Wenn man dort reinkommt, hat man das Gefühl, es riecht nach Turnhalle. Und diese Leute haben keinen Schimmer, und sie haben auch kein Interesse, mal zu fragen, was gut oder schlecht war. Warum das so ist, das vermag ich nicht zu sagen.“ Wir möchten gerne von Herrn Brandt wissen, wie alt er selbst war, als er plötzlich so erfolgreich wurde, und er gibt zu, dass er damals auch noch sehr, sehr jung war und selbst noch ein bisschen nach Turnhalle roch. „Aber bei mir war es Können. Ich hatte eine Schauspielausbildung, ich habe Theater gespielt und schon Filme gemacht, bevor ich anfing zu synchronisieren. Damals kamen diese Motorrad-Filme plötzlich in Mode, ‚Easy Rider‘ und dergleichen. Und ich sah mir den Schwachsinn an, der in den deutschen Büchern stand. Dann sagte ich zum Regisseur: ‚Kamerad, was hier steht und was die da oben auf der Leinwand sagen, das sind zwei verschiedene Welten. Was die sprechen, ist kalifornischer Slang. Und wenn die von einer Matratze reden, dann reden die nicht vom Schlafen, sondern vom Bumsen, und die Matratze ist die Blondine.‘ Denn diese Filme waren ja ein Protest gegen das prüde Amerika und die ganzen Scheißer da oben.“ Brandt schrieb das Buch entsprechend um und dann noch eins und noch eins, und das war der Beginn seiner Synchron-Karriere.

Doch die jungen Leute von heute hätten ihr Handwerk nicht gelernt, erklärt Brandt. „Die werden da reingeschmissen und sagen: ‚Das machen wir jetzt so!‘ Aber sie wissen gar nichts. Manche kennen tatsächlich den Namen Marlene Dietrich nicht mehr. In Amerika bröckelt dieser Jugendwahn inzwischen wieder, weil die jungen Leute zu viele Kisten gegen die Wand gesetzt haben. Da machen sie so nach und nach die Buddelkisten zu und setzen wieder Leute mit Erfahrung an die richtigen Stellen.“

Brandt erinnert sich, dass sogar die jungen Stimmen früher – jede für sich – ein gewisses Charisma hatten. „Ich weiß nicht, ob das damals am Whisky lag, der bei uns hektoliterweise durchgeflossen ist, oder an den schwarzen Zigaretten …“

Beim Abschied werfen wir noch letzte, begehrliche Blicke auf den coolen Jaguar, und wir sind froh, dass wir den ebenso coolen Herrn Brandt kennen gelernt haben!