piwik no script img

Ermittlungen stehen still

POLIZEIGEWALT Eine Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Polizeiführer Kuno Lehmann liegt seit Monaten unbearbeitet bei der Staatsanwaltschaft. Rechtsanwalt Ernst Medecke erkennt dahinter System

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft kann auch nicht erklären, „warum nichts passiert ist“

Ernst Medecke ist entsetzt. „Das Ermittlungsverfahren verkommt zur Farce.“ Für seinen Mandanten, den Polizisten Kamiar M., hat der Rechtsanwalt Strafantrag gegen Polizeidirektor Kuno Lehmann wegen Körperverletzung gestellt: Lehmann, so der Vorwurf, hatte M. von Beamten des Mobilen Einsatzkommandos überwältigen lassen. Nachgegangen ist die Staatsanwaltschaft der Sache nicht, hat Medecke herausgefunden: „Ich rüge die fehlenden Ermittlungen“, heißt es nun in einem Schreiben des Anwalts an die Anklagebehörde.

Am 12. September 2007 bestellte Lehmann Kamiar M. ins Polizeipräsidium, weil dieser von seiner langjährigen Freundin Meike W. wegen sexueller Nötigung angezeigt worden war. „Kündigen Sie selbst – unabhängig vom Ausgang werde ich Sie entlassen“, soll der Polizeidirektor zu M. gesagt haben. Da war Meike W. noch gar nicht vom Dezernat für Sexualdelikte vernommen worden. Als M. seiner Forderung nicht nachkam, ließ Lehmann demnach die MEK-Beamten zugreifen.

Im Juni dieses Jahres stellte Medecke bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag. Doch bislang ist nichts geschehen: In der Ermittlungsakte befänden sich nur die Strafanzeige und allerlei Vorgänge zu seinem Mandanten, sagt Medecke. „Es ist nicht einmal ein Personalbogen angelegt worden, was bei jedem Ermittlungsverfahren unerlässlich ist“, beklagt er. „Auch eine Beschuldigtenvernehmung hat nicht stattgefunden.“

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Bernd Mauruschat, konnte am Freitag auch nicht erklären, „warum nichts passiert ist“: Die zuständige Dezernentin sei im Urlaub. Medecke vermutet, der Polizeichef solle „gedeckt werden“. Der Vorgang habe System: Führungsbeamte würden von der Staatsanwaltschaft aus der Schusslinie genommen, gegen den einfachen Beamten würden sämtliche Register gezogen.

Dabei erinnert Medecke auch an die Vorgänge um Thomas Wüppesahl: Dem ehemaligen Kripobeamten und „Kritischen Polizisten“ war die Verabredung zu einem Raubmord angelastet worden. Aus Medeckes Sicht wollte „die Polizei“ Wüppesahl loswerden – „genauso wie meinen Mandanten“. KAI VON APPEN

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen