: Konzerne halten sich für sozial
Das Selbstbild deutscher Unternehmen ist weit besser als die Außenwahrnehmung
BERLIN taz ■ Ob niedrige Löhne, fristlose Kündigung, Mobbing, Diskriminierung – die Liste der Unternehmenssünden ist lang. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung fand heraus, dass das alles gar nicht stimmt. Denn laut der Befragung fühlt sich die Mehrheit der deutschen Führungsspitzen zunehmend „ihren Mitarbeitern und Kunden gegenüber verantwortlich“. Auch sei die Rolle des Unternehmens „als reiner Profitmaximierer von den Managern sehr deutlich abgelehnt worden“. Besonders große Konzerne sähen sich als Vorreiter gesellschaftlichen Engagements.
Die Stiftung befragte „500 Topentscheider der deutschen Wirtschaft“, wie sie sich selbst wahrnehmen und sich ihrer Meinung nach für soziale Belange einsetzen. Eine Prüfung der Angaben erfolgte nicht – es handele sich schlicht um eine Umfrage, wie Anna Peters, Mitinitiatorin der Studie, betont. Trotzdem schließt die Stiftung im Nachwort aus den „ermutigenden“ Ergebnissen, dass die Unternehmen infolge des staatlichen Rückzugs mehr „Verantwortung“ übernehmen wollen. Sie kommt zu dem „überraschenden“ Schluss, dass „gesellschaftliche Verantwortung und ökonomische Leistungsfähigkeit nicht im Widerspruch stehen“.
Andreas Hamann, Autor des Buches „Schwarzbuch Lidl“, kann über solche Behauptungen nur den Kopf schütteln: „Ich erlebe den gegenteiligen Trend.“ Gerade große, aktienorientierte Unternehmen seien nicht an dem Wohl ihrer Mitarbeiter, sondern am Shareholder-Value interessiert. Nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ wie Aldi, Lidl und McDonald’s wären die Buhmänner in Sachen Sozialdumping. Mäßige Standards seien besonders im Hotel- und Gaststättenbereich, in weiten Teilen des Handels sowie in der Landwirtschaft alltäglich. Hamann plädiert deshalb für verstärkte Kontrollen und höhere Strafen. Die Bertelsmann Stiftung hingegen verteidigt ihre Studie: „Wir wollten die einseitig geführte Diskussion von Herrn Müntefering und den Medien erweitern“, so Peters. Schließlich müssten auch „die Betroffenen“ zu Wort kommen. Peters verwies auf eine Studie der – arbeitgebernahen – Initiative soziale Marktwirtschaft, die ähnliche Ergebnisse veröffentlicht habe.
Die Arbeit der Stiftung Warentest hingegen zeigt, wie schwierig eine Nachprüfung von sozialen Ambitionen in Firmen wirklich ist. Seit Anfang des Jahres vergibt sie Gütesiegel nach sozialen und ökologischen Kriterien. Sprecherin Heike van Laak erklärt, eine 100-prozentige Kontrolle der Angaben sei unmöglich. Ein Blick auf die Testergebnisse verrät, dass viele Felder unter „Beschäftigte“, „Transparenz“ oder „Unternehmerpolitik“ mit einem leeren Kreis gekennzeichnet sind, was bedeutet: keine sonstigen Information verfügbar oder Aussage verweigert.
SUSANNE GÖTZE