: Pilgern nach Programm
Ketzerkollektiv und Bibelauslegung: Der Weltjugendtag hat mehr zu bieten als den Papstbesuch
KÖLN taz ■ Vor dem Dom baut sich ein Männerchor auf. „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“, tönt es über den Platz vor der Kölner Kathedrale. Ein Schild weist die Sänger als Mitglieder der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ aus. Mit ihren schwarzen Anzügen heben sich die Mormonen von den anderen Pilgerern ab. Eins haben sie allerdings gemeinsam mit den Hunderttausenden Gläubigen, die zum Weltjugendtag gekommen sind: den Pilgerrucksack.
Den blauen Ranzen bekommt jeder Gläubige – inklusive allem, was fürs Pilgern nötig ist. Ein Rosenkranz zählt dazu, ein Tuch und natürlich das Programm. So ein Pilgertag ist lang: 7.30 Morgengebet, danach den ganzen Vormittag Bibelauslegung, Nachmittags folgen zahlreiche Workshops.
Und dann ist da natürlich noch der Besuch von Joseph Ratzinger. Morgen kommt das Oberhaupt der Katholiken nach Köln, am späten Nachmittag fährt der „Heilige Vater“ auf den Rhein. Tausende Anhänger und Schaulustige werden an den Ufern erwartet. Mit einer Predigt von Benedikt XVI. endet der Weltjugendtag dann am Sonntag. Allerdings außerhalb von Köln, auf dem „Marienfeld“ bei Frechen. 800.000 Gläubige werden erwartet.
So ein Programm ruft auch Kritik hervor. Das „Ketzerkollektiv“ lädt morgen Nachmittag zur Kirchenaustrittsparty vor dem Amtsgericht. Den „1. Kölner FreiGeisterzug“ veranstaltet die „Religionsfreie Zone“ am Freitagnachmittag. „Good Catholics use Condoms“ – Gute Katholiken gebrauchen Kondome – propagiert hingegen ganz ernsthaft die internationale Kampagne „Catholics for a Free Choice“, die in Köln durch die Jugendorganisation von „Wir sind Kirche“ unterstützt wird.
Die Veranstaltungen der guten Katholiken gehören indes nicht zum offiziellen Programm. Dort finden sich Themen wie „Sexualität: Das besondere Geschenk Gottes“. Veranstalter ist „Teen Star International“. Deren Beratung bewirke, dass „über 99 Prozent der jugendlichen Teilnehmer/-innen jungfräulich“ blieben, wirbt die Organisation. Und: „Von den bereits vorher sexuell aktiven jungen Frauen brachen 40 bis 50 Prozent die Geschlechtsbeziehung ab, bei den jungen Männern waren es 30 bis 50 Prozent.“ DIRK ECKERT