Armutsrisiko steigt auch im Norden

STATISTIK Nach Jahren des Rückgangs nimmt die Armut in der Bevölkerung wieder zu, jeder siebte Niedersachse und jeder fünfte Bremer ist betroffen. Besonders stark wächst die Armut unter Alten

„Armut im Alter wird zur bitteren Lebensrealität“

RALF REGENHART, CARITAS

Sozialverbände sind alarmiert: Die Armut hat in der Bevölkerung wieder zugenommen und betrifft inzwischen mehr als jeden siebten Niedersachsen, Hamburger oder Schleswig-Holsteiner und jeden fünften Bremer. In Bremen ist der Anteil armer Menschen an der Gesamtbevölkerung inzwischen deutschlandweit sogar am höchsten, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit.

In Niedersachsen hatten 2011 insgesamt 15,7 Prozent der Menschen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zum Leben zur Verfügung. 2010 waren es erst 15,3 Prozent gewesen, ergab die Statistik. In Bremen stieg die Armutsquote von 21,1 auf 22,3 Prozent, in Hamburg von 13,3 auf 14,7 Prozent, in Schleswig-Holstein blieb sie bei 13,8 Prozent. Bundesweit ist das Armutsrisiko gegenüber 2010 um 0,6 Prozentpunkte auf 15,1 Prozent angestiegen. Besonders gefährdet sind Arbeitslose, Alte, kinderreiche Familien, Ausländer und Menschen mit einer niedrigen Ausbildung.

Besonders besorgt über den Anstieg der Armut nach mehreren Jahren des Rückgangs äußerten sich Kirchen und Gewerkschaften. „Besonders auffällig ist, dass die Armutsgefährdung bei älteren Menschen innerhalb eines Jahres um fast zwei Prozentpunkte auf 14,1 Prozent zugenommen hat“, sagte Ralf Regenhardt von der Caritas in Hildesheim. „Die aktuelle Debatte um die Altersarmut wird durch die vorliegenden Zahlen deutlich bestätigt. Armut im Alter wird für mehr Menschen zur bitteren Lebensrealität.“

„Hier ist die Politik gefordert“, sagte Hannovers Diakoniedirektor Christoph Künkel. „Jeder Kandidat, der zur Landtagswahl im nächsten Jahr aufgestellt wird, muss sich fragen lassen: Wie wollen wir den Trend zur Spaltung der Gesellschaft aufhalten?“ Für einen existenzsichernden Mindestlohn plädierte Lars Niggemeyer vom DGB. „Wer Armutsbekämpfung ernst nimmt, muss etwas gegen den ständig wachsenden Niedriglohnsektor unternehmen.“ (dpa/epd)