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Archiv-Artikel

Türklingelterror

Verfolgen, Verunsichern, Verängstigen: Mit einem neuen Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Rechte von Stalkinggeschädigten stärken. Belastung der Opfer wird oft immer noch heruntergespielt

Schlaflose Nächte, weil eine unheimliche Person ums Haus schleicht, Briefe mit bedrohlichem Inhalt im Briefkasten, Türklingelterror – Erfahrungen von Stalkinggeschädigten, wie sie jüngst gerade der Schauspieler Til Schweiger gemacht hat. Nach seinem Umzug aus Malibu nach Hamburg verfolgte ihn und seine Familie eine nach Polizeiangaben einschlägig bekannte Frau.

Schweiger hat getan, was Experten Stalkingopfern dringend anraten: sofort die Polizei eingeschaltet und Strafanzeige gestellt. Denn wichtig ist, dass dem Stalker früh Einhalt geboten wird und sich das Verhalten nicht einschleift. Doch vielfach nehmen Geschädigte die ersten Übergriffe nicht ernst – oder finden in ihrer Umgebung kein Verständnis und trauen sich deshalb nicht, weitere Schritte einzuleiten. Oder sie glauben nicht, dass ihnen wirklich geholfen werden kann.

Die Praxis zeigt, dass sie mit dieser Einschätzung häufig richtig liegen. In vielen Bundesländern tun sich Polizei und Gerichte mit der Verfolgung von Stalkern und dem Schutz von Opfern schwer. Oft werden Anzeigen bei normalen Stalking-Handlungen – Lungern vor der Tür, Bombardieren mit bis zu 50 Faxschreiben am Tag – nicht angenommen und die Belastung für die Geschädigten heruntergespielt. Auch das seit gut drei Jahren bestehende Gewaltschutzgesetz, das erstmals explizit Hilfe bei Stalking vorsieht, hat daran nichts geändert.

Hinzu kommt, dass besondere Ausgestaltungen des Stalkings, zum Beispiel via Internet, selbst vom Gewaltschutzgesetz nur unzulänglich erfasst werden. Dabei weist gerade das Internetstalking die Besonderheit auf, dass das Verfolgen und Bedrängen sofort einer viel größeren Öffentlichkeit mitgeteilt wird (z. B. das Einstellen eines Fotos oder entwürdigende Äußerungen auf Web-Seiten). Dagegen kann man sich andererseits deutlich schwerer wehren, da die Anonymität des Internets dem Täter zusätzliche Sicherheit bietet.

Um auch hier die Rechte der Geschädigten zu stärken, hat der Bundestag vor zehn Tagen einen Gesetzentwurf der Bundesregierung beschlossen. Er reagierte damit auf einen Entwurf des Bundesrates, der im März mit der Mehrheit der CDU-regierten Länder beschlossen worden war. Diesem wollte der Bundestag aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nicht zustimmen, weil die dort verwendeten Gesetzesbegriffe zu unpräzise seien. Der Entwurf der Bundesregierung muss jetzt noch vom Bundesrat bestätigt werden, was wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode geschehen wird.

Im Unterschied zum Bundesrat, der den § 238 StGB (schwere Belästigung) neu fassen will, will die Regierung die schon bestehenden Schutzmöglichkeiten nach § 4 Gewaltschutzgesetz erweitern und ergänzen und damit Lücken zum Strafgesetzbuch schließen: Ein neuer § 241b soll insgesamt das unbefugte, beharrliche Nachstellen unter Strafe stellen. Dem Täter drohen bis zu drei Jahren Gefängnis, wenn er durch das Nachstellen das Opfer in dessen Lebensgestaltung „schwerwiegend und unzumutbar“ beeinträchtigt.

Das Gesetz soll greifen, wenn der Täter beharrlich die Nähe seines Opfers sucht, wenn er per Telefon, durch das Internet oder über SMS immer wieder Kontakt aufnimmt, wenn er Waren im Namen des Opfers bestellt oder mit der Verletzung von Leib oder Leben droht. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass bisher lediglich einzelne, isoliert zu betrachtende Strafhandlungen geahndet werden konnten, das Symptomatische beim Stalking jedoch die vielfältigen Einzelhandlungen sind, die das Verfolgen, Verunsichern, Verängstigen ausmachen. Zumal diese – das ständige Herumlungern im gegenüberliegenden Hauseingang etwa – bislang nicht strafbar sind. Als flankierende Maßnahmen sieht der Regierungsentwurf zudem vor, dass bezüglich der bisherigen Stalkingregelung im Gewaltschutzgesetz eine Sonderzuständigkeit bei den Staatsanwaltschaften eingerichtet wird und dass Stalking-Prozesse in einem beschleunigten Verfahren durchgeführt werden sollen.

Welcher Entwurf aber auch immer Gesetz werden wird, dies allein reicht nicht, solange die nötige Einsicht in die Problematik fehlt. Erforderlich ist eine bessere Schulung der Polizei, der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte. Ein gutes Beispiel bietet Bremen: Hier gibt es Stalkingbeauftragte, Täteransprachen, Vernetzung der zuständigen Behörden mit Beratungsorganisationen und eine breite Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Waltraut Braker

Die Autorin ist Fachanwältin für Familienrecht in Hamburg