: „Eine sozialpolitische Katastrophe“
Um Bremens Kindergärten ist es übel bestellt – findet deren größter Träger, die evangelische Kirche
Bremen taz ■ „Die Situation der Bremer Kindergärten ist eine sozialpolitische Katastrophe.“ Die hiesige Kindergartenpolitik sei im Vergleich zu der anderer Bundesländer „ziemlich an die Wand gefahren“, beispielsweise habe Bremen das bundesweit geringste Angebot für Kinder unter drei Jahren. Das ist die alarmierende Einschätzung von Ilse Wehrmann, die als Leiterin der evangelischen Kindertageseinrichtungen für 3.972 Plätze verantwortlich ist. Die evangelische Kirche ist der größte örtliche Träger, drei Millionen Euro investiert sie jährlich. Jetzt sagt Wehrmann: „Träger zu sein, macht keine wirkliche Freude mehr.
Besonders bitter sei der Wegfall von Nachmittagsstunden an sozialen Brennpunkten: „Wir müssen die Kinder mittags nach Hause schicken, wo sie sich oft selbst überlassen sind.“ Auch die Förderung behinderter Kinder werde immer schwieriger. Vor drei Jahren standen dafür 640 Stunden zur Verfügung, jetzt seien es nur noch 180. Also 1,5 Wochenstunden pro Kind, in denen sämtliche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen geleistet werden müssen.
Einen partiellen Ausgleich sollen zwei über die „Aktion Mensch“ finanzierte Beraterinnen leisten – um Eltern dabei zu unterstützen, mit der Erfahrung der Aussonderung umzugehen. Die „Fremdplatzierung“ behinderter Kinder (also die Unterbringung in einem Heim) sei mit etwa 3.000 Euro monatlich ungleich teurer als integrative und präventive Maßnahmen.
Das Problem: Vielen Bremer Kindern wurde der besondere Förderungsbedarf aufgrund von Behinderungen im vergangenen Jahr aberkannt. Von den 150 daraufhin eingereichten Klagen sind achtzig noch anhängig, die Eltern eines schwerstbehinderten Kindes aus Arsten, dem kaum mehr als die Hälfte der per Rechtsanspruch geregelten Assistenzstunden genehmigt wurden, wartet auf Zulassung beim Bundesverfassungsgericht. Bis zur Klärung haben man es mit „absurden Bewilligungen“ zu tun, sagt Wehrmann, bei denen „stundenweise halbe Zivis“ zugeteilt würden.
Trotz allen Frustes wolle man die „inhaltliche Vorreiterrolle“ in Sachen Kinderbetreuung behalten. Kommende Woche veranstaltet Wehrmann die Fachtagung „Kinder fassen Mathe an“, die von einer ambitionierten Ausstellung in der Neustädter St.Pauli-Gemeinde begleitet wird. HB