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Archiv-Artikel

Next Stop Karlsruhe

Der BGH muss definieren, ob Selbstmordattentäter überhaupt eine terroristische Vereinigung bilden können

Eine terroristische Vereinigung ist darauf ausgerichtet, mehrere Straftaten zu begehen

FREIBURG taz ■ Für die Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) haben Motassadeqs Verteidiger vor allem drei Ansatzpunkte. Erstens könnten sie es als widersprüchlich kritisieren, dass ihr Mandant Mitglied der Atta-Zelle gewesen sein soll, aber dennoch von den dort geplanten Anschlägen nichts wusste. Damit werden sie aber wohl kaum durchkommen. In der Revision werden nur noch Rechtsfragen geklärt, die Beweiswürdigung des OLG muss akzeptiert werden. So verfuhr der BGH auch vor wenigen Wochen im Parallelfall Mzoudi. Dort nutzte der eingeschränkte Prüfungsumfang dem Angeklagten. Denn Mzoudi war schon vom OLG aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden.

Zweitens könnte die Verteidigung erneut die mangelnde Kooperation der USA kritisieren. Eine erste Verurteilung Motassadeqs war deshalb aufgehoben worden. Der BGH hatte gerügt, dass die USA den Mittäter Ramsi Binalshibh und den Hintermann Scheich Mohammed nicht zur Befragung für die deutsche Justiz freigaben.

Diesmal allerdings steht die Rüge auf schwachen Beinen. Die USA haben immerhin Verhörprotokolle geliefert, die Motassadeq auch tendenziell entlasteten. Außerdem hat das OLG die Protokolle teilweise zugunsten von Motassadeq gewertet, indem unterstellt wurde, er habe tatsächlich nichts von den konkreten Anschlagsplänen gewusst.

Der dritte Ansatz dürfte der spannendste sein. Waren die Hamburger Selbstmordattentäter um Atta überhaupt eine terroristische Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuchs? Die Hamburger Anwältin Gül Pinar verneinte dies schon im Verfahren gegen Mzoudi. Laut Gesetzesdefinition ist eine terroristische Vereinigung darauf ausgerichtet, mehrere Straftaten zu begehen. Der Zelle um Atta ging es aber nur um diesen einen Anschlag.

Auch Klaus Tolksdorf, der am BGH für Staatsschutzsachen zuständige Senatsvorsitzende, räumte ein, dass die Frage knifflig ist. Letztlich blieb sie im Mzoudi-Verfahren offen, da das OLG schon am kriminellen Vorsatz des Angeklagten zweifelte. So elegant kann das Problem im Fall Motassadeq nicht mehr umschifft werden. Denn Motassadeq wurde ausschließlich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt. CHRISTIAN RATH