Vereinigter Methusalem

Der HVV wird 40 Jahre alt. Als weltweit erster Zusammenschluss seiner Art hat er wiederholt für Neuerungen im Öffentlichen Nahverkehr gesorgt. Keine weiteren Expansionspläne. Das Tarifsystem wird wohl im Wesentlichen unverändert bleiben

Von Gernot Knödler

Im Jahre 1965 war es reichlich mühselig, sich mit Bussen und Bahnen durch Hamburg zu bewegen. Sieben Verkehrsunternehmen konkurrierten um die Gunst der Kundschaft mit eigenen Fahrplänen, Fahrscheinen und Preisen. Wer längere Strecken zu bewältigen hatte, musste im Stadtgebiet mehrere Tickets lösen. Heute gilt das nicht einmal mehr für Fahrten in Hamburgs Nachbar-Landkreise.

Der damalige Missstand wurde verschärft durch den wachsenden Wohlstand: Immer mehr Menschen kauften sich ein Auto, die Fahrgastzahlen sanken. Da entschlossen sich die Hochbahn, die Deutsche Bundesbahn und die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein, die Notbremse zu ziehen. Am 29. November vor 40 Jahren gründeten sie den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) und ermöglichten damit einen einheitlichen Tarif im ganzen Stadtgebiet. Der Verbund war der erste seiner Art, weshalb ihn die Geschäftsführung jetzt über vier Monate hinweg mit Rabatt-Aktionen im Einzelhandel feiern will.

Der HVV rühmt sich, Pionierarbeit im öffentlichen Nahverkehr geleistet zu haben: 1970 führte er das Abonnement für Monatskarten ein, 1972 stellte er die ersten Busfahrerinnen Westdeutschlands an. Seit 1980 gibt es eine zentrale Telefonauskunft (040/19449), seit 1989 mit dem Großkundenabo verbilligte Tickets für die Angestellten großer Firmen. Zuletzt schuf der HVV 2001 mit dem Metrobus-Netz mehr Übersicht im Wirrwarr der Buslinien. Berlin und München haben das kopiert. Die größte Negativ-Innovation: 1978 blieb die letzte Straßenbahn auf der Strecke.

Die Zahl der Fahrgäste ist in den vier Jahrzehnten von rund 400 auf 539 Millionen gestiegen, das Einzugsgebiet von 2,4 Millionen Einwohnern auf 3,3 Millionen gewachsen. 470.000 Abonnenten lassen sich ihre Fahrkarten nach Hause schicken. Das Schnellbahnnetz wurde ausgebaut, Billstedt, Harburg und Niendorf angeschlossen.

Nach den Verbundausweitungen auf die nördlichen Nachbarkreise 2002 und die südlichen Nachbarkreise 2004 soll jetzt erstmal Schluss sein. Es gebe keine weiteren Expansionspläne, sagt Geschäftsführer Lutz Aigner: „Wir wollen nur die Pendlerbeziehungen abbilden.“ Lediglich Übergangstarife, um etwa Städte knapp außerhalb des HVV-Gebiets anzuschließen, seien geplant. Sie ermöglichen das Pendeln mit einem Ticket.

Eine von dem CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Klaus-Peter Hesse vorgeschlagene Tarifreform sieht Aigner skeptisch: „Ich glaube nicht, dass es eine grundsätzliche Veränderung geben wird.“ Der von Hesse angeregte Billigtarif für Kurzstrecken etwa sei „chancenlos, weil nicht zu finanzieren“.

Aigner und sein Kollege Peter Kellermann nehmen angesichts des Jubiläums lieber langfristige Entwicklungen in den Blick. Zwar gehen sie davon aus, dass Hamburg zu den wenigen deutschen Großstädten gehört, deren Bevölkerung nicht schrumpfen wird, die Alterszusammensetzung ihrer Kundschaft wird sich jedoch ändern: Weniger Junge, das bedeutet weniger Schüler. Die Dörfer, die heute mit Schulbussen bedient werden, brauchen Alternativen.

Es sei nicht zu erwarten, dass die vielen Alten von alleine vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen werden. Der öffentliche Nahverkehr müsse daher besser werden. Einfache Tarife, Fahrpläne und ein Fahrkartenverkauf über neue Wege, etwa das Handy, sollen die Hemmschwelle für Umsteiger senken. Bleibt das Problem zu lösen, wie tendenziell sinkende öffentlichen Zuschüsse bei einem ohnehin hohen Kostendeckungsgrad von 75 Prozent ersetzt werden sollen.