: Der Lenz ist da
Der MSV Neuruppin feiert das 0:4 im Pokal gegen den FC Bayern im Berliner Olympiastadion wie einen Sieg
BERLIN taz ■ Glücklich waren sie, die Lenker des MSV Neuruppin, überglücklich wie Kinder, die vom Lieblingsfußballer ein Autogramm bekommen haben. Vizepräsident Dietmar Lenz umklammerte sein Bayern-Trikot, das er auf dem Spielfeld des Berliner Olympiastadions ergattert hatte. Trainer Christian Schreier, ein ehemaliger Bundesliga-Profi, hatte rote Bäckchen vor Aufregung und er sagte immer wieder „Super, super, was für ein Superspiel“. Obwohl der MSV gar nicht gewonnen hatte. 0:4 hatte der Oberligist in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den FC Bayern verloren. Aber Schreier strahlte. Sein Team hatte die Niederlage in Grenzen gehalten. Außerdem durfte sich der Coach über die Handschuhe von Oliver Kahn freuen. Die Pressesprecherin der Nordbrandenburger, Stefanie Rose, posaunte, elektrisiert vom Spiel gegen den Großen, bei der Pressekonferenz so laut ins Mikrofon, dass Felix Magath kurz zusammenzucke und dann nur noch still schmunzelte. Da musste er jetzt durch, der Trainer der Bayern; das ist Pokal.
Lenz, der Achim Menzel der Prignitz, war nicht minder aufgedreht. Der Kugelblitz aus Neuruppin, im Hauptberuf Chef der dortigen Stadtwerke, ließ wissen, dass Neuruppin großen Fußball gespielt habe. „Wir haben halt versucht, nicht unter die Räder zu kommen“, sagte er, das Textil noch immer im Würgegriff haltend. Weil Neuruppin im nächsten Jahr 750 Jahre alt wird, lud Lenz die Bayern zu einem Freundschaftsspiel in die Fontane-Stadt ein. Uli Hoeneß wollte keine Zusage geben, liegen den Münchnern doch viel bessere Angebote vor. Und die Gegenleistung, die der MSV am Sonntag vor 33.000 Zuschauern brachte, hätte auch ein bisschen Bayern-freundlicher ausfallen können. Die Neuruppiner spielten gut mit, taten, was in ihrer Macht stand – natürlich zu wenig gegen den deutschen Meister. Vor allem bei Freistößen und Ecken wurde die Unterlegenheit deutlich. Mehmet Scholl löschte mit seinem Freistoßtor zum 2:0 jede Hoffnung auf eine Sensation. Scholl spielte munter auf, was Hoeneß zu der Aussage veranlasste, der Mehmet erlebe wohl „seinen 98. Frühling“.
Neuruppin war mit über vierzig Bussen nach Berlin gereist. Das eigene Volksparkstadion hatte sich als zu klein erwiesen. Eine Partnerschaft mit Hertha BSC Berlin, die seit 2003 besteht, erleichterte den Umzug in die Hauptstadt. Fast der gesamte Unterrang des Olympiastadions war gefüllt. In der zweiten Halbzeit rollte sogar die Welle durch die Arena, zu einem Zeitpunkt, da die Fans ermessen konnten, dass sich der MSV Neuruppin wacker schlagen sollte.
Da nur zehn Kassen geöffnet waren und das Spiel längst lief, wurden 1.500 Fans kostenlos hereingelassen. Lenz deutete die Panne kurzerhand um. „Das war eine Geste an Berlin“, polterte er. Felix Magath setzte dem verschwitzten Enthusiasmus die Gelassenheit eines Meistertrainers entgegen. „Es war ein Pflichtsieg für uns“, sagte er. Nicht mehr und nicht weniger.
MARKUS VÖLKER