Deutsche Regierung blutet Kongo aus

Kongos größter Staatsbetrieb soll der Bundesregierung 70 Millionen Dollar zahlen – Altschulden aus einer gescheiterten Investition in eine Kupfermine. Deutschland ist nicht bereit, gegenüber dem bitterarmen Land auf die Forderung zu verzichten

VON DOMINIC JOHNSON
UND FRANÇOIS MISSER

Während die Demokratische Republik Kongo unter den Folgen eines verheerenden Krieges leidet und Geld für den Wiederaufbau sucht, verlangt die Bundesrepublik Deutschland vom größten Unternehmen des Landes 70 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte gestern der taz die Höhe der Forderung, bei der es sich um Altschulden handelt: Hermes-Bürgschaften für unvollendete deutsche Investitionen in Kongos Bergbau. Von kongolesischer Seite wird die Summe mit 70 Millionen Dollar angegeben.

Die Geschichte geht auf Anfang der 90er-Jahre zurück, als die deutschen Unternehmen Krupp und Klöckner mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau im kongolesischen Kov neue Förderanlagen bauen wollten. Die Mine Kov in Kongos Südprovinz Katanga ist eine der größten Kupferminen des Landes und gehört Kongos größtem staatlichen Bergbaukonzern Gécamines. Die 130 Millionen Dollar schwere Investition wurde nach der ersten, 70 Millionen Dollar teuren Phase aufgrund politischer Wirren abgebrochen, als auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit dem damaligen Zaire suspendiert wurde. Von der damals staatlichen Kreditsicherungsanstalt Hermes bekamen die deutschen Investoren ihr Geld zurück. Seitdem erlebte Kongo jahrelang Krieg. Die Minen Katangas stehen heute größtenteils still, Gécamines ist bankrott.

Im Oktober 2004 kündigte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Wiederaufnahme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Kongo an und stellte die Freigabe von 60 Millionen Euro für soziale Projekte in Aussicht. Im Januar 2005 begann die mittlerweile privatisierte Hermes ein Verfahren zur Eintreibung der 70 Millionen Dollar aus der Investitionsruine von Kov – nach eigenen Angaben auf Anweisung der Bundesregierung.

Nach inoffiziellen Angaben aus der Gécamines hat Hermes rabiate Methoden angewandt. So sei versucht worden, von Gécamines exportiertes Kobalt bei Handelsfirmen in Südafrika, der Schweiz und Japan zu beschlagnahmen. Gécamines-Gebäude in Brüssel und Paris sollten gepfändet werden. All diese Versuche seien allerdings gescheitert: Die Gebäude sind schon verpfändet, die Exporte waren von den Käufern vorfinanziert. Weder Hermes noch das Bundeswirtschaftsministerium äußern sich gegenüber der taz zu den Einzelheiten des Verfahrens.

Kongos Regierung will die Affäre nun auf Regierungsebene regeln. „Wir verlangen, dass diese Schulden aus dem Gécamines-Rahmen herausgenommen werden und in den zwischenstaatlichen Rahmen hineinkommen“, sagt ein Mitarbeiter des Bergbauministeriums in Kinshasa. Deutschland könnte die Gécamines-Schuld als Staatsschuld anerkennen und in die Entschuldungsverhandlungen des Pariser Clubs aufnehmen. Die Auslandsschulden des Kongo liegen bei rund 10,6 Milliarden Dollar.

Dies habe die deutsche Seite allerdings trotz der Bemühungen eines deutschen Vermittlers abgelehnt, heißt es weiter. Die Bundesregierung bestätigt, dass dieser Vorschlag diskutiert wurde und gescheitert sei, will aber keine Gründe nennen.

Aus Gécamines-Kreisen wird die Korrektheit der deutschen Investition angezweifelt. Die realisierte erste Phase sei nie technisch abgenommen worden, sagt ein leitender Gécamines-Angestellter in Katangas Hauptstadt Lubumbashi; die gelieferten Einrichtungen seien immer noch in Kov, aber nicht mehr zu gebrauchen. Letztendlich wird sich die französische Consulting-Firma Sofreco, die im Juli von Kongos Regierung als Übergangsverwalter der Gécamines eingesetzt wurde, des Falles annehmen müssen.

Wenn Deutschland bei seiner Haltung bleibt, wird der Wiederaufbau des Kongo insgesamt erschwert. Ohne eine Befreiung der kongolesischen Wirtschaft von Schulden vergangener Diktaturen und Kriege sind seriöse Investoren nicht zu gewinnen.