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Archiv-Artikel

Die Bankfiliale tanzt

FESTIVAL Das Hamburger Reeperbahnfestival vereint Clubkonzerte, Kunstausstellungen und Branchentreff zu einem deutschlandweit einzigartigen Festival-Format. Darauf sind auch die Hamburger Politiker stolz

Warum spielt Lena Meyer-Landrut auf diesem Festival?

Das Reeperbahnfestival setzt eigentlich nicht auf Stars und auch nicht auf Mainstream, aber es gibt Ausnahmen. Die Ausnahme des ersten Festivaltages heißt Lena Meyer-Landrut – jene Lena, die 2010 den European Songcontest gewann. Vor ihrem Auftritt, bei dem sie eigene Songs spielt, ist der Saal von Schmidts Tivoli bis auf den letzten Platz gefüllt. Bereits nach einer halben Stunde ist er halb leer. „Schrecklich“, „anstrengend“, „langweilig“, sagen die Herausströmenden.

Warum aber spielt Lena Meyer-Landrut auf diesem Festival, das begabte, aber noch wenig bekannten Bands präsentiert? „Die Lena versucht etwas ganz Neues – wir geben ihr eine Chance. Auch das passt zu uns“, sagt Veranstalter Alexander Schulz.

Insgesamt treten auf dem Reeperbahnfestival von Donnerstag bis Samstag knapp 300 Bands aus 27 Ländern auf. Gespielt wird in den Clubs rund um die Reeperbahn sowie in einer Kirche, einer Bankfiliale und auf einer Hafenbarkasse. Die musikalische Bandbreite reicht von Rock, Indie-Pop, Hip-Hop und Elektro bis hin zu Klassik. Dazu gibt es Vernissagen, Lesungen und einen Poetry Slam.

Außerdem treffen sich auf der Konferenz „Reeperbahn-Campus“ Vertreter der Musikwirtschaft aus der ganzen Welt. Das macht auch die Hamburger Politiker stolz: Seit dem Start im Jahr 2006 habe sich das Reeperbahnfestival „zum Eingangstor in den deutschen Musikmarkt“ und „zur wichtigsten Musikveranstaltung ihrer Art in Deutschland entwickelt“, sagt Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos).

„Das Selbstbewusstsein wird größer. Aber auf eine hanseatische Art, die nicht auf dicke Hose macht. Der Ort ist ideal, weil er für Sex und Rock ’n’ Roll steht“, sagt Frank Lemloh, Berater beim Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes.

Lemloh trägt ein Namensschild, wie viele, die geschäftig über den Kiez huschen: Promoter, Agenten und andere Figuren aus dem Musikbusiness.

In den Clubs rund um die Reeperbahn folgt ein Konzert auf das andere. Im Docks steht die Rapperin Speech Debelle nach ihrer Show am Merchandising-Stand und signiert ihre Alben. „Ich habe meinen kleinen Cousin zur Unterstützung mit nach Hamburg genommen, er verkauft meine CDs“, sagt sie und zeigt stolz auf den jungen Mann.

Etwa 20.000 Menschen kommen an den drei Festivaltagen nach St. Pauli, um von Club zu Club zu ziehen und Ausstellungen und Lesungen zu besuchen. „Die Besucherzahlen steigern sich von Jahr zu Jahr, 2006 hatten wir 8.600 zahlende Gäste“, sagt Organisator Schulz. Übergroß solle die Veranstaltung aber nicht werden, denn dann ginge der Charme verloren.

Auch Einheimische lockt das Spektakel an. Die St. Paulianerin Christine flüchtet aus der Location Planet Pauli. „Das ist mir zu laut und zu schröddelig“, sagt sie. Auf der Bühne zuckt die schwedische Indie-Rockband MF/MB/ einträchtig zu ihrem Dark Wave. Christine hat das Reeperbahnfestival zunächst ignoriert – mittlerweile mag sie es.

Neben Musik ist Kunst ein Bestandteil des Festivals. Im Millerntorstadion präsentiert die Millerntor Gallery mit der Hilfsorganisation Viva con Agua eine Ausstellung zum Thema Wasser. Die teilnehmenden Künstler versteigern ihre Werke. Der Erlös wird zu 100 Prozent in ein Wasserprojekt in Uganda investiert.  ORANUS MAHMOODI

Reeperbahnfestival: noch bis einschließlich 22. September; Ticket an der Abendkasse: 35 €