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Archiv-Artikel

Der Mond und die Sonne über den lakandonischen Wäldern

GLÜCKSGRIFF „Als die Sonne ein Kind war“ – ein toll erzähltes Kinderbuch als eine etwas andere Schöpfungsgeschichte aus dem mexikanischen Chiapas

Frida Nilson, Mélanie Rutten, Lorenz Pauli, Miriam Zedelius

Kleine Auswahl zu empfehlender Kinderbücher aus den Herbstprogrammen der Verlage:

Frida Nilson: „Die maskierte Makrone auf der Jagd nach dem Feuerteufel“. Ein packender „Schweden-Krimi“ für Kinder mit einem heldenhaften Konditoren-Hund, der nicht backen kann, einer Polizei-Kröte, die bestechlich ist, und zwei schwer erziehbaren Wieseln, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Absolut spannend erzählt, mit vielen überraschenden Wendungen, sodass man nicht immer weiß: Wer ist gut, wer böse? Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2012, 176 Seiten, 12,95 Euro. Ab 8 Jahren

Mélanie Rutten: „Elba. Ein vollkommener Tag im Herbst“. Nach dem bezaubernden Buch „Basil und Nestor. Eine Geschichte im Sommer“ erzählt Mélanie Rutten nun im Herbst von der sich anbahnenden Freundschaft zwischen Elba dem Krokodil und Erik dem Eichhörnchen. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel. Beltz & Gelberg, Weinheim 2012, 64 Seiten, 9,95 Euro. Ab 5 Jahren

Und zur Apfelsaison:

Lorenz Pauli, Miriam Zedelius: „Zum Mitnehmen“. Dem freundlichen Herrn Schnippel wächst seine Apfelernte über den Kopf. Nun kann sich jeder, der vorbeikommt, selbst bedienen. Sein Angebot wird jedoch falsch verstanden und führt zu allerhand Verwirrungen. Ein mit großzügigem Strich gezeichnetes Bilderbuch in kräftigen Rottönen. Atlantis Verlag, Zürich 2012, 32 Seiten, 14,95 Euro. Ab 4 Jahren (ecm)

VON EVA-CHRISTINA MEIER

Die Stadt San Cristóbal de las Casas liegt im Süden Mexikos in der Provinz Chiapas. Diese fruchtbare, aber bitterarme Region erregte Anfang der 1990er Jahre internationales Aufsehen. Weltweit berichteten die Medien über den ausdauernden Widerstand der indigenen Bevölkerung. Ihr Kampf zur Verteidigung der eigenen Kultur und ihrer Rechte richtete sich gegen die neoliberale Politik der mexikanischen Regierung. In Erinnerung geblieben sind die Bilder der zapatistischen Revolution, ihrer Befreiungsarmee, der EZLN und des Subcomandante Marcos, ihres charismatischen Sprechers. Für sein Herbstprogramm hat der Schweizer Verein und Kinderbuchverlag Baobab Books ein außergewöhnliches Bilderbuch aus diesem Teil Mexikos nun ins Deutsche übersetzt.

„Als die Sonne ein Kind war“ beruht auf einem Schöpfungsmythos der Maya. Das Kind Nene ist der jüngste von drei Söhnen. Gemeinsam leben sie mit ihrer Mutter in den Wäldern Lakandoniens. Der Kleine besitzt Zauberkräfte. Er kann den Dingen Leben einhauchen. Aus Lehm werden Kaninchen, aus Baumwollsamen Bienen, aus Bienenwachs Taschenratten.

Als es zum Streit mit seinen Brüdern kommt, verzaubert er sie kurzerhand in flinke Affen, die sofort fröhlich im Urwald verschwinden. Die Mutter macht sich auf die Suche nach den Zwillingen, steigt dabei auf einen hohen Kapokbaum und genießt die Aussicht oben am Himmel. Ein Glühwürmchen leuchtet Nene den Weg zu dem Baum.

Die Mutter fühlt sich dort in den Wipfeln glücklich und möchte bleiben. So verzaubert der Junge sie in den Mond und wird selbst zur Sonne, „um die Welt hell zu machen“ und „dafür zu sorgen, dass es seinen Brüdern gut geht“.

„Nene Sol“, so der spanische Titel des Kinderbuchs, entstand in besonderer Zusammenarbeit: Maruch Mendes Peres erzählte diese traditionell überlieferte Geschichte in ihrer Sprache der Tzozil, die mexikanische Dichterin US-amerikanischer Herkunft Ámbar Past übertrug sie ins Spanische, und die japanische Illustratorin Tamana Araki, die sich seit 1993 immer wieder in Chiapas aufhält, erfand dazu ruhige, in Grau, Schwarz und Gelb gehaltene, sagenhafte Bilder.

Dieses Buch, das von einem selbstverständlichen Leben mit den Tieren und Pflanzen im lakandonischen Urwald handelt, erschien im Original in dem kleinen Verlag Taller Leñateros. Bereits 1975 gründete Ámbar Past in San Cristobál de las Casas diese Kooperative mit dem Ziel, das kulturelle Wissen der Nachfahren der Maya, ihre Literatur und ihre Gesänge zu dokumentieren sowie ihre handwerklichen Techniken wiederzubeleben – gleichzeitig aber auch faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, besonders für jene ohne Schulbildung oder Beruf. Bis heute werden in einem alten Haus mit Innenhof eine Papier- und Druckwerkstatt sowie der Verlag in Selbstverwaltung betrieben.

Die deutschsprachige Veröffentlichung von „Als die Sonne Kind war“ ist ein echter Glücksgriff. Mit großer Souveränität erzählt dieses Kinderbuch aus Chiapas seine andere Schöpfungsgeschichte und zeigt kleinen wie großen Lesern einen anderen Blick auf die Welt. Seit 1989 erscheinen in der Reihe Baobab Kinder- und Jugendbücher aus Afrika, Asien, Lateinamerika und dem Nahen Osten.

Ámbar Past/Maruch Mendes Peres (Text), Tamana Araki (Illustration): „Als die Sonne ein Kind war. Nach einem Mythos der Maya“. Aus dem Spanischen von Jochen Weber. Baobab Books, Basel 2012, 40 Seiten, 15,90 Euro. Ab 5 Jahren