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Archiv-Artikel

„Agram“, „Neuyork“ und „Lodsch“

betr.: „Schule: Bratislava oder Preßburg“, taz vom 17. 8. 05

Weder die Schulbuchverlage noch die Autorin des interessanten Artikels betrachten das Thema „alte deutsche Städtenamen“ genügend differenziert. Eigennamen – auch Ortsnamen – sind ein Teil der Sprache. Folglich muss man sie übersetzen. Zum Beispiel muss man das Wort „Genève“ in einem französischen Text auf Deutsch als „Genf“ wiedergeben. Wer „Genève“ im Deutschen stehen lässt, hat nicht den „richtigen“ Namen der Stadt benutzt, sondern einfach ein französisches Wort, und das ist ein Fehler.

Ebenso selbstverständlich ist dies bei Kopenhagen (dän. „København“), Athen (gr. „Athína“), Lissabon (port. „Lisboa“), Nizza (frz. „Nice“), Bukarest (rum. „București“) und vielen anderen. Engländer, Franzosen und Tschechen kämen nie auf die Idee, statt „Cologne“, „Aix-la-Chapelle“ oder „Dráždany“ in ihrer Sprache die deutschen Namen „Köln“, „Aachen“ oder „Dresden“ zu verwenden. Aber Sprache verändert sich. Heute schreibt heute niemand mehr „Nanzig“, „Agram“, „Neuyork“ oder „Lodsch“, denn im heutigen Deutsch (!) heißen diese Städte „Nancy“, „Zagreb“, „New York“ und „Łódz‘“ (oder „Lodz“). Es gibt keinen Grund, sich aus falsch verstandener „Political Correctness“ mit „Gdańsk“, „Szczecin“ oder „Brno“ die Zunge zu verrenken. „Danzig“, „Stettin“ und „Brünn“ bedeuten genau dasselbe.

Von Übersetzungen streng zu trennen sind Umbenennungen: Ebenso wie Chemnitz 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannt wurde, wurde Königsberg 1946 zu Kaliningrad. Folglich ist die Verwendung des Namens „Königsberg“ für die heutige Stadt ebenso falsch wie die Behauptung, Immanuel Kant sei in „Kaliningrad“ geboren. (Auch auf Russisch heißt der Geburtsort des großen Philosophen „Kjonigsbjerg“.) DANIEL BUNČIĆ, Bonn