Der Schach-Politiker

Garri Kasparow ist eine Größe der internationalen Sportwelt, auch wenn seine aktive Zeit schon einige Jahre zurückliegt. Im Alter von 22 Jahren wurde er der jüngste Weltmeister der Schachgeschichte. Seine im Jahr 1999 erreichte Elo-Zahl von 2.851, also die Wertungszahl der Spielstärke von Schachspielern, ist bis heute unerreicht.

2005 beendete er seine Profikarriere und entschied sich für politische Oppositionsarbeit in Russland, wurde einer der lautesten und prominentesten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin. Dies brachte ihm immer wieder Aufenthalte in russischen Gefängnissen ein, zuletzt drohten ihm mehrere Jahre in einem Arbeitslager, weil er während einer Demonstration in Moskau für die Punkband Pussy Riots einen Polizisten gebissen haben sollte.

Doch bei allem politischen Engagement hat ihn Schach nicht losgelassen und gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau setzt sich der 49-Jährige für seinen Sport als Unterrichtsfach an Schulen ein. Seine Stiftung „Kasparov Chess Foundation“ ist weltweit aktiv, koordiniert Schulprojekte, macht Lobbyarbeit und hat bereits das Europäische Parlament von der Schulfachidee überzeugt. Und an diesem Wochenende nun machte Kasparow in Lüneburg beim Schachturnier „10 gegen Lüneburg“ Werbung für seine Idee und tauschte sich auf einer Podiumsdiskussion mit dem niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusman (CDU) über das Für und Wider von Schach in der Schule aus.

Die Hansestadt wäre ein richtig guter Startpunkt dafür, dass Schach in allen Schulen Niedersachsens und später in ganz Deutschland gespielt werde, sagte Kasparow. Aus Untersuchungen wisse man, sagte der gebürtige Aserbaidschaner, dass sich die Lernfähigkeit bei Kindern, die Schach spielten, verbessere und es zudem viele große soziale Effekte gebe. Kinder aus sozial schwächeren Gesellschaftsschichten könnten durch Erfolge beim Schach mehr Selbstbewusstsein gewinnen.

Althusmann sprach davon, dass er sich die Einrichtung von 20 bis 30 Modellschulen in Niedersachsen vorstellen könne. Er war auch ganz begeistert von seiner Idee, ein Schachduell „Norderelbe gegen Süderelbe“ zwischen Schülern Hamburgs und Niedersachsens zu initiieren.

Aber so ganz konnte Kasparow den Kultusminister dann wohl doch nicht überzeugen, denn den Button mit der Aufschrift „Schach als Fach“, der ihm auf der Podiumsdiskussion gereicht worden war, wollte Althusmann sich nicht ans Revers heften. Ließ ihn lieber in der Seitentasche seines Jacketts verschwinden. Damit hätte er vor der anstehenden Kultusministerkonferenz wohl auch zu viel an Position bezogen.  CHRISTIAN GÖRTZEN