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Archiv-Artikel

Virtuelle Vergangenheitsbewältigung

Weil ein Anwalt nicht will, dass im Internet über sein früheres Engagement bei der „Neuen Rechten“ berichtet wird, klagt er vor Gericht. Die Betroffenen fragen: „Was ist ein Archiv wert, wenn darin jeder herumpfuschen kann?“

Den Fakt bestreitet Patrick M. Rogozenski nicht. Doch der Hamburger Rechtsanwalt möchte sein früheres Engagement bei der „Neuen Rechten“ nicht weiter veröffentlicht wissen. Vor dem Hanseatischen Landgericht reichte er Klage gegen den Verein „nadir.org“ ein, da er seine „Persönlichkeitsrechte“ verletzt sieht.

Heute soll das Gericht entscheiden, ob Nadir einen Artikel aus dem Online-Archiv löschen muss. „Einen Eilantrag auf Unterlassung hat das Amtsgericht bereits abgelehnt“, sagt Peter Leuchtkopf von Nadir. Seit fast zehn Jahren stellen die Nadir-Mitglieder ehrenamtlich Websites und Mailinglisten über linke Projekte ins Netz. Über „Google“ war Rogozenski auf die umstrittene Dokumentation von 1995 gestoßen.

„Bei seiner Karriereplanung“, meint Leuchtkopf, „bedarf er wohl einer weißen Weste“. In der Dokumentation über „Rechte Organisationen in Hamburg“ werden einige braune Flecke des Anwalts offenbart. So outen die Autoren Rogozenski als Mitglied der „Gruppe 146“. Von 1988 bis 1990 war sie an Hamburgs Hochschulen aktiv, organisierte Diskussionen mit neurechten Theoretikern wie Reinhold Oberlercher. Der Gruppenname soll an den Paragraphen 146 des Grundgesetzes erinnern, in dem steht, dass ein „wiedervereinigtes Deutsches Volk“ sich in „freier Selbstbestimmung“ eine neue Verfassung gibt.

Wie eng der Zirkel mit der militanten Szene der Rechten verbunden war, bestätigte der Hamburger Senat. Der Hamburger Neonazichef Christian Worch plauderte gar aus, eine Veranstaltung der Gruppe mit seinen „Kameraden“ geschützt zu haben. „Von seinen früheren Aktivitäten distanziert er sich nicht“, sagt Leuchtkopf: „Herr Rogozenski will alleine den Eintrag wegklagen“. Nur unterscheide er nicht zwischen einem archivarischen Artikel und einer aktuellen Berichterstattung. Schon 2003 hatte der Firmenmanager Jost Berstermann per Gericht versucht, einen Eintrag über seine rechte Vergangenheit entfernen zu lassen. Das Berliner Landgericht wies die Klage ab, weil „kein rechtswidriger Eingriff in die Privatsphäre“ vorläge. „Was ist ein Archiv wert, wenn darin jeder herumpfuschen kann“, überlegt Leuchtkopf und meint: „Der Wert besteht grundsätzlich in seiner Unbestechlichkeit“. Mit der taz wollte Rogozenski nicht über das Thema sprechen. Andreas Speit