: Taschengeld in Gefahr
Gebührenbescheide für 120.000 Eltern auf den Namen der Kinder ausgestellt. CDU-Politiker Heinemann zieht Erfolgsmeldung zurück
von Kaija Kutter
Bei der Einführung des Büchergelds zeichnet sich eine neue Panne ab: Auf einer Dienstbesprechung zu Wochenbeginn erfuhren Schulleiter, dass die Rechtsabteilung der Bildungsbehörde in Sorge sei: Sämtliche Gebührenbescheide für das Büchergeld sind auf die Namen der Kinder ausgestellt worden, nicht auf die der Eltern. Ursache ist wiederum die Einstellung der Software.
Die Schulen sollen die Bescheide, die spätestens am 29. August alle Eltern erhalten haben sollen, selbst ausdrucken. Dabei werden die Namen der Schüler aus einer zentralen Schülerdatei in das Sofwareprogramm „Littera“ eingegeben. „Da ist dann für die Schulen kein Eingriff mehr möglich“, berichtet ein Schulleiter. Ein Feld für die Namen der Eltern etwa sei in der Maske gar nicht vorhanden. Der SPD-Abgeordnete Gerhard Lein sieht nun „zumindest Zweifel“ in der Korrektheit der Bescheide. Zwar sei die Sache plausibel, aber „juristisch vermutlich nicht sauber durchfomuliert“.
Behördensprecher Alexander Luckow erklärt hingegen, „dass es hier ein Problem gibt, ist mir nicht bekannt“. Denn die Eltern bekämen die Bescheide per Post in addressierten Umschlägen und mit einem an sie gerichteten Anschreiben. Luckow: „Dies ist eindeutig zuzuordnen.“
„Ein Kind unter 18 Jahren ist nicht geschäftsfähig und kann kein Büchergeld zahlen“, erklärt wiederum Frank Ramlow von der Initiative „Eltern gegen Büchergeld“. Diese Einschätzung habe ihm ein Rechtsanwalt bestätigt. „Die können das doch nicht vom Taschengeld bezahlen.“ In seinem Schulkreis Billstedt-Horn hätten zudem Eltern den Gebührenbescheid ohne Anschreiben durch ihre Kinder überbracht bekommen. Statt einen „Riesenbürokratieaufwand“ zu starten und die Bescheide neu auszugeben, solle der Senat lieber „das Büchergeld zurücknehmen“, findet Ramlow. Er habe jetzt 6.000 Eltern aus ganz Hamburg zusammen, die die Zahlung ohnehin boykottieren wollen.
Unterdessen hat der CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann gestern seine Erfolgspressemitteilung vom Montag zurückgezogen. Nach Lektüre der Senatsantwort auf eine Große Anfrage der SPD hatte er erklärt, „die Hälfte aller Schulbücher ist neu“. Dies bestätige den Erfolg der Lehrmittelreform. Dabei bezog er sich auf die Senatsantwort, der zufolge das „gewichtete Mittel“ für Neuanschaffungen „49,99 Prozent“ betrage. Tatsächlich aber, das hat nun Anfragestellerin Britta Ernst (SPD) rekonstruiert, hatte der Senat hier die Prozentangaben der einzelnen Schulen addiert und durch die Anzahl der Schulen geteilt – ohne zu berücksichtigen, ob es sich um eine kleine Grundschule mit 150 Schülern oder eine große Gesamtschule mit 1.500 Schülern handelt. Was Ernst zu dem Schluss bringt, von einer „Falschaussage“ des Senats zu sprechen.
„Ich habe die Zahlen jetzt bei der Behörde noch mal nachgefragt“, so Heinemann zur taz. „Sobald ich die habe, gebe ich eine neue Pressemitteilung heraus.“ „Hereingefallen“ sei er auch mit seiner Aussage, die Höchstgrenzen für die Büchergebühren seien ausreichend, wo doch beispielsweise die Grundschulen „durchschnittlich 32,50 Euro pro Schüler“ erhöben, was unter der Obergrenze von 50 Euro liege. Die SPD hatte nach dem „Mittelwert“ der Gebühren gefragt. Woraufhin die Bildungsbehörde etwa für die Grundschulen nur die Spanne von „0,00“ bis „65,00“ Euro nannte, um zum „Mittelwert“ von 32,50 Euro schlicht die Mitte zu deklarieren. „Würden Hamburgs Schüler so rechnen wie die Bildungsbehörde“, so Ernsts Kommentar, „könnten sie ihren Lebensunterhalt als Trickbetrüger verdienen.“