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Archiv-Artikel

Mit Schuldenbremse geht nichts mehr

HAUSHALTSPLANUNG Wer etwas anderes machen will als brutale neoliberale Politik, der muss die „Schuldenbremse“ ablehnen: Bremen soll auf ein Viertel seiner Ausgaben verzichten

Schon ein formelles „Einfrieren“ der laufenden Ausgaben über zehn Jahre würde eine reale Kaufkraft-Kürzung auf rund 80 Prozent bedeuten

Von Klaus-Rainer Rupp

Der Haushaltsplan für 2010 ist auf der Ausgabenseite (ohne Zinsausgaben) ein ziemlich genaues Abbild der Prognose des Haushaltes 2009 (mit den Nachtragshaushalten ohne das Konjunkturpaket II). Das Finanzierungsdefizit beträgt 928 Millionen Euro, das ist fast jeder vierte Euro.

Durch eine Änderung des Grundgesetzes dürfen die Länder ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Bremen hat sich verpflichtet, bis 2020 das Haushaltsdefizit auf Null zu fahren und soll dafür neun Jahre lang 300 Millionen Euro Zinsbeihilfen bekommen. Die Gewährung der Zinsbeihilfen wird daran gekoppelt, dass Bremen den mit der schwarz-gelben Koalition im Bund zu vereinbarenden „Sanierungskurs“ einhält. Rein rechnerisch muss sich das Defizit Jahr für Jahr um ca. 100 Millionen Euro reduzieren. Dann würden 2020 die Ausgaben (2010: 4,076 Mrd.) den Einnahmen (2010: 3,148 Mrd.) angeglichen sein.

Die spannende Frage ist: Unter welchen Bedingungen kann ein solcher „Sanierungskurs“ eingehalten werden? Zur Beantwortung dieser Frage soll die (zugegebener Weise ungewisse) Modellrechnung der Haushaltsentwicklung bis 2020 dienen.

Wenn Bremen die Gesamtausgaben auf dem Stand von 2010 einfrieren könnte, würde das Land im Jahre 2020 ca. 4,1 Milliarden Euro Einnahmen brauchen. Um das zu erreichen, müssen die Einnahmen aus Steuern und Länderfinanzausgleich um ca. 3,3 Prozent jährlich steigen. Das ist bei den augenblicklichen Wirtschaftswachstumsprognosen und der zu erwartenden Steuerpolitik von Schwarz-Gelb im Bund zumindest in den nächsten Jahren unrealistisch (Bremen ist in der Phase der ersten Sanierungshilfe 1995 - 1999 mit ähnlich überhöhten Einnahmeerwartungen auf die Nase gefallen). Die Ausgaben lassen sich aber nicht einfrieren – schon wegen der steigenden Zinsbelastung nicht. Allein die Zinssteigerungen würden bis 2020 rund 100 Millionen Euro ausmachen.

Wenn man Inflation und steigende Löhne berücksichtigen will, heißt das: Auch wenn die Ausgaben nominell die gleiche Höhe hätten wie 2010, wäre ihre Kaufkraft, also ihr realer Wert, deutlich geringer – sie läge bei 80 Prozent im Vergleich zu heute. Ein formelles „Einfrieren“ der Primärausgaben käme daher einer deutlichen realen Kürzung bei allen öffentlichen Ausgaben gleich.

Wenn die Steigerung der Einnahmen, was realistischer wäre, geringer ausfallen, sagen wir rund zwei Prozent jährlich, müssten die Primärausgaben auch nominell gekürzt werden. Das Ausgabenniveau im Jahr 2020, wiederum Inflation und Tarifsteigerung von zwei Prozent berücksichtigt, läge bei ca. 72 Prozent des derzeitigen Standes.

Aber die jetzigen Ausgaben sind in der Größenordnung von 95 - 98 Prozent festgelegt. Entweder sind sie gesetzlich bindend (z.B. ALG II), arbeitsvertraglich verpflichtend (Personalausgaben, Altersversorgung im Öffentlichen Dienst) oder vertraglich gebunden (Investive Mittel). Gegebenenfalls anstehende Kürzungen würden dann in erster Linie die sogenannten freiwilligen Aufgaben betreffen, z.B. Ausgaben für Kultur, für präventive soziale Aufgaben, für Investitionen in Stadtteilentwicklung, Armutsbekämpfung und Umweltschutz.

Zum anderen bedeutet die jahrelange Sparpolitik, dass sich soziale und ökologische „Schulden“ anhäufen. Es entsteht eine Bugwelle von nicht erledigten Aufgaben, die auf mittlere Sicht neben den Folgen für Mensch und Natur auch enorme finanzielle Belastungen auf die nächsten Generationen überträgt.

So ist durch die aktuelle Haushaltssituation in Zusammenhang mit dem Sanierungszwang durch die „Schuldenbremse“ eine neoliberale Politik vorprogrammiert. Kürzen, verehrenamtlichen, privatisieren, Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst vernichten, sinnvolle Investitionen unmöglich machen, das scheint die Zukunft des Landes Bremen zu sein – wenn man die „Schuldenbremse“ akzeptiert.