: Ein aufrechter Hindu in der Schlacht mit dem System
ERZÄHLUNG Uday Prakashs tragikomischer Romanheld Doktor Wakankar
Gerade einmal hundert Seiten benötigt der indische Schriftsteller Uday Prakash, um ein Leben in all seiner Tragödienhaftigkeit auszubreiten. Es ist das Leben von Dr. Dinesh Manohar Wakankar. Er ist Arzt und so rechtschaffen, dass er beinahe zwangsläufig unter die Räder der korruptionsverseuchten indischen Bürokratie gerät.
„Dr. Wakankar kam sich vor, als wäre er in ein altes Burgverlies geraten und wisse nicht mehr, wo der Ausgang war. Genau so funktionierte also das System, von dem auch er ein Teil war“, heißt es an einer Stelle. Präzise und klar schreibt Prakash darüber, wie in Indien getäuscht, gelogen, bestochen und gemordet wird. Dabei erscheint die Korruption bei ihm nie als lustiges Gesellschaftsspiel, sondern als tödlicher Ernstfall. Die Handlung des Romans, der in Indien schon 1992 erschien, erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, von den Siebzigerjahren an. Wakankar ist ein tiefgläubiger Hindu, und das allein zwingt ihn schon, sich gegen die alltäglichen Machenschaften um ihn herum aufzulehnen. Er ist ein Rebell, einer, der nicht spurt, und einer, der nie um des eigenen Vorteils willen handelt. Ein Gutmensch, wie er im Buche steht.
Jedes Mal wenn er sich den Oberen entgegenstellt, wird er prompt strafversetzt, bis er schließlich in der Kolonie Dinghar landet. Den erzählenden Passagen fügt der Autor Tagebucheinträge von Wakankar bei, in denen er seine Ohnmacht offenbart.
Der 1952 geborene Uday Prakash, selbst in der Provinz von Madhya Pradesh groß geworden, lässt seinen Helden ebendort agieren. Fernab von den glänzenden Bankentürmen der Finanzmetropole Bombay, den Computerwelten Bangalores und dem Hauptstadtgewusel Neu-Delhis. Die Mehrheit aller Inder lebt auf dem Land, und allein deswegen ist es zu begrüßen, dass sich Prakash dort seine Schauplätze sucht und seinen Doktor Wakankar, den aufrechten Hindu, in die Schlacht gegen das System schickt. Das macht er auch mit Witz und fein dosierter Ironie, manche Szenen geraten ihm zu schönster Politsatire.
Dabei kann man dieses Büchlein gar nicht preisen, ohne auch den Heidelberger Verlag Draupadi zu rühmen, dem es zu verdanken ist, dass die Geschichte von Dr. Wakankar jetzt auch auf Deutsch zu lesen ist. Immer noch werden nur wenige Bücher aus dem Hindi und anderen indischen Sprachen übersetzt. Das, was man hierzulande gern unter indischer Literatur versteht, sind überwiegend Übersetzungen aus dem Englischen. Das schmale Buch von Uday Prakash lehrt so nicht nur das Fürchten vor der indischen Demokratie, sondern auch Ehrfurcht vor der Vielfalt der indischen Literatur.
SHIRIN SOJITRAWALLA
■ Uday Prakash: „Doktor Wakankar. Aus dem Leben eines aufrechten Hindus“. Roman. Aus dem Hindi von André Penz. Draupadi Verlag, Heidelberg 2009, 107 Seiten, 12,80 Euro