: Aus Erfahrung lernen
SERVICE LEARNING Studierende helfen in gemeinnützigen Einrichtungen und bekommen dafür Credit Points: „Lernen durch Engagement“ etabliert sich an deutschen Unis
■ Uniaktiv – Kompetenzzentrum für gesellschaftliches Lernen und soziale Verantwortung der Universität Duisburg-Essen (UDE) – ist ein Vorreiter des Service Learning, www.uni-aktiv.org
■ Service Learning an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), www.servicelearning.uni-halle.de
■ Do it! ist ein bundesweites, von der Robert Bosch Stiftung gefördertes Service-Learning-Programm, www.agentur-mehrwert.de/Hochschule/Do_it!.html
■ Sozialgenial: Bürgerschaftliches Engagement von Jugendlichen an Schulen in Nordrhein-Westfalen, www.aktive-buergerschaft.de/schulen
■ Am schulischen Netzwerk „Service-Learning – Lernen durch Engaement“ beteiligen sich bundesweit mehr als 100 Schulen, www.servicelearning.de
■ Die nächste Tagung des „Hochschulnetzwerks: Bildung durch Verantwortung“ findet am 17. Oktober in Kassel statt, http://netzwerk-bdv.de
VON OLE SCHULZ
Studierende helfen Rentnern eines Mehrgenerationenhauses beim Navigieren im Cyberspace oder entwickeln für das benachbarte Altersheim eine Onlineplattform, auf der sich Senioren austauschen können. Das sind zwei Beispiele für Möglichkeiten des sogenannten Service Learning. Im Deutschen hat sich dafür die Übersetzung „Lernen durch Engagement“ eingebürgert. Gemeint ist, dass Studierende Lösungen und Konzepte für gemeinnützige Institutionen erarbeiten. Der Lohn dafür sind in der Regel Credit Points fürs Studium.
Der pädagogische Ansatz, in Hochschulen den Dienst der Studierenden für die Gesellschaft mit der wissenschaftlichen Ausbildung zu verknüpfen, stammt aus den USA. Mittlerweile ist das Service Learning aber auch an einigen deutschen Hochschulen im Curriculum verankert. „Wenn Betriebswirtschaftsstudenten Menschen mit Behinderungen helfen, dann tun sie auch etwas für ihre sozialen und persönlichen Kompetenzen und übernehmen gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Bettina Hohn, Professorin an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht und Sprecherin des Hochschulnetzwerks „Bildung durch Verantwortung“. Zudem werden ihre Erfahrungen „vor dem Hintergrund der Ausbildungsinhalte wissenschaftlich ausgewertet und reflektiert“. Theoretische Erkenntnisse und praktische Tätigkeiten könnten sich so wechselseitig befördern.
Ausgangspunkt der Zusammenarbeit von Alma Mater und gemeinnützigen Einrichtungen ist die Erkenntnis, dass man durch eigene Erfahrungen besser lernt – ein solches erfahrungsorientiertes Lernen wurde bereits in den 1920er Jahren von Philosophen und Pädagogen wie John Dewey propagiert. In den USA hat sich daraus seit den 1960er Jahren die Experimential Education entwickelt, zu der das Service Learning zählt.
In Deutschland steht das Service Learning dagegen noch an den Anfängen. Derzeit sind zwölf Hochschulen Mitglied des Hochschulnetzwerks „Bildung durch Verantwortung“. Die jeweilige Hochschulleitung muss sich dafür klar und deutlich zum gesellschaftlichen Engagement der Uni bekennen.
Als Vorreiter gilt hierzulande die Universität Duisburg-Essen. Dort wurde 2005 mit „Uniaktiv“ das erste deutsche Kompetenzzentrum für Service Learning gegründet – zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements unter Studierenden wird mit über 120 sozialen Einrichtungen im ganzen Ruhrgebiet kooperiert. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) wird unter anderem das Studienmodul „engagiert studiert“ angeboten. Ein weiterer Schwerpunkt des Service Learning an der MLU liegt auf einer internationalen Ausrichtung, um die Teilhabechancen ausländischer DAAD-Studenten zu erhöhen. Mittlerweile gibt es Service Learning auch an Schulen (siehe Kasten).
Dass solche Angebote gerade bei Studierenden beliebt sind, mag zum Teil der Normierung und Verschulung des Studiums im Zuge der Bachelor-/Masterreform geschuldet sein. Auch Bettina Hohn spricht von einer „sinnvollen Ergänzung“ der vielen theoriegeleiteten Veranstaltungen und betont den „Theorie-Praxis-Transfer“.
Doch die deutschen Hochschulen scheinen sich, anders als die amerikanischen, mit der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements ihrer Studierenden generell noch schwerzutun. Das liegt nicht zuletzt an unterschiedlichen gesellschaftlichen Philosophien: Während in den USA soziale Verantwortung zwar in erster Linie als Privatangelegenheit angesehen wird, gilt sie doch oft auch als third mission der Unis: ein Bewusstsein für ehrenamtliche Tätigkeiten zu vermitteln. Bei uns indes wirkt die Tradition des Sozialstaats eher dahin gehend, dass das nicht unbedingt zum Bildungsauftrag der Hochschulen gezählt wird.
Dass nicht mehr Unis Service-Learning-Projekte anbieten, liegt aber auch an dem besonderen Aufwand, den sie erfordern. „Sie sind deutlich aufwendiger als Hochschulveranstaltungen im Format des Frontalunterrichts“, sagt Bettina Hohn. Der Kontakt zu den Kooperationspartnern müsse gepflegt und oft müssten zusätzliche Mittel eingeworben werden. Zur Umsetzung entsprechender Angebote biete sich daher die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Mittlerorganisationen an – etwa mit Freiwilligenagenturen. So arbeitet die MLU mit der Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis e. V. zusammen.
Bettina Hohn ist davon überzeugt, dass sich Service Learning bei uns weiterentwickeln wird. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der MLU stützen ihre Prognose: Nach Selbstauskunft bieten demnach schon 56 von 368 befragten Hochschulen in irgendeiner Art und Weise Service Learning an. Tendenz steigend.