Editorial

Die Frage: Wer hat Angst vor Schwarz-Gelb?

Unsere Antwort: Wir nicht! Angst bedeutet Lähmung, Stillstand. Angst haben paralysierte Kaninchen, nicht wir.

Doch ein bloßes Nein ergibt noch keinen Artikel und füllt keine vier Seiten. Wer sich nicht streitet, hat schon verloren. Wir sind ja hier bei der taz. Linker Meinungspluralismus nennen die das. Wie der in der Praxis aussieht, erleben wir bei der Redaktionssitzung. Doch die Option, mit einem „Ihr könnt mich alle mal!“ den Raum zu verlassen, haben wir 20 Workshop-Teilnehmer nicht. Wir wollen ja Erfahrungen sammeln. Kompromissbereitschaft ist gefragt.

30 Jahre taz in 4 Tagen Workshop. Wir werden gemästet – mit Informationen, Lebensgeschichten, Tipps und belegten Broten. Nach schneller Aufteilung in diejenigen, die nach den Ursachen des Wahlergebnisses fragen, und diejenigen, die mögliche Konsequenzen beschreiben, geht es ans Werk. Die taz-Zentrale wird zum Bienenstock schwarz-gelber Fragen. Die alten Hasen der Schwerpunktredaktion stehen uns zur Seite – mit Rat statt Tat: „Soll ich dir das machen? Hm. Ne, des kannste auch selber.“

Die Arbeit an den eigenen Sonderseiten wird strategisch unterbrochen von Theorieseminaren. Die Ethik und die Sprache des kritischen Journalismus. Die Kunst, ein Interview zu führen. Große Namen (Scheub, Sontheimer, Luik) werden im Gespräch zu Menschen (die Ute, der Michael, der Arno). Was treibt euch an? Warum schreibt ihr, wie ihr schreibt? Kurzes Zögern, dann: „Ich will die Welt verändern! Drunter mach ich’s nicht.“ Die Ute lacht.

Qualität kommt von Qual, hören wir, kehren zurück zu unseren Laptops und schreiben. Die Feldforscher unter uns sind mittlerweile in ganz Berlin verstreut: 350 Angies sammeln sich vor dem Brandenburger Tor. Wir besuchen einen Carrotmob, führen Interviews und fotografieren. Über den Newsticker gelangen die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in die Redaktion. Die Mächtigen in Deutschland haben das Land neu unter sich aufgeteilt. Schwarz-gelbe Tatsachen wurden geschaffen. Haben wir jetzt Angst? Als Quereinsteiger und Journalist in spe sind wir keine Dienstleister.

Selber schreiben heißt selber denken. Autoritäten sind irgendwie bäh.

■ Der Workshop: 30jahre.taz.de