: Blaue Heimsuchung
Comicfiguren schlumpfen 60. Geburtstag
Sie sind klein und blau, tragen weiße Zipfelmützen und wohnen in einem heruntergekommenen Männerstift tief im Wald. Sie sind stets penetrant guter Laune und doch von einer Aura der Heimtücke umgeben, die den Umgang mit ihnen so angenehm macht wie Prostatakrebs. Außerdem singen sie fortwährend dasselbe Lied – und der Flötenschlumpf fängt immer an. Die Rede ist natürlich von den Schlümpfen, jenen enervierenden Comic-Gesellen, die sich der belgische Zeichner Peyo vor 60 Jahren nach einer Woche heftigstem Absinth-Abusus von der Seele zeichnete, damit sie endlich aus seinen Träumen verschwänden. Mit den grotesken blauen Figuren exorzierte der schwer depressive Zeichner nicht nur seinen herrschsüchtigen Vater (Papa Schlumpf), seinen arroganten Bruder (Schlaubi Schlumpf), sondern setzte auch seiner unterdrückten Mutter ein Denkmal. Sich selbst stellte Peyo als herzensguten Zauberer Gargamel dar. Wurden die entstellten und verwachsenen Schlümpfe von Peyos Zeitgenossen noch als Warnung vor den Folgen entfesselter Atomkraft verstanden, setzte sich später die irrige Meinung durch, es handele sich um leichte Unterhaltung für Kinder.
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