Umverteiler starten Wahlkampf

GERECHTIGKEIT Am Aktionstag des Bündnisses Umfairteilen beteiligen sich mehrere zehntausend Menschen in 40 Städten. Alle wollen mehr Steuern auf Reichtum und Finanzgeschäfte – ohne sich im Detail einig zu sein. Streit über Tsipras-Auftritt

■ Das Bündnis Umfairteilen tritt für ein ganzes Bündel von Instrumenten ein, um privates Vermögen in öffentliche Kassen fließen zu lassen. Dabei beruft es sich unter anderem auf ein Modell der Initiative Vermögender.

■ Diese fordert eine auf zwei Jahre befristete Abgabe für für Privatvermögen von über 500.000 Euro in Höhe von jeweils 5 Prozent.

■ Diese soll danach in eine jährliche Vermögensteuer in Höhe von mindestens einem Prozent überführt werden.

■ Flankierend sollen Gesetze erlassen werden, die den Transfer von Privatvermögen in Steueroasen verhindern.

■ Die Befürworter des Konzepts gehen davon aus, dass eine solche Besteuerung den öffentlichen Kassen dreistellige Milliardenbeträge bringen würde.

AUS BERLIN UND HAMBURG CHRISTIAN JAKOB
UND KAI VON APPEN

Mehrere zehntausend Menschen haben am Samstag in mehr als 40 deutschen Städten für eine Umverteilung von Vermögen demonstriert. Unter dem Motto „Umfairteilen – Reichtum besteuern“ verlangten sie die Einführung von Vermögens- und Finanzmarktabgaben. Aufgerufen hatte ein Bündnis aus über zwanzig Gewerkschaften, Sozialverbänden und globalisierungskritischen Organisationen. Unterstützt wurden die Demonstrationen auch von SPD, Grünen und der Linkspartei.

Einen „echten Durchbruch in der Gerechtigkeitsdebatte“ nannte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, den Aktionstag. Seit Samstag stehe „fest, dass die Verteilungspolitik in Deutschland im Wahlkampf 2013 ein zentrales Thema sein wird“. In der Tat war es dem Bündnis erstmals seit langem gelungen, Akteure von linken Gruppen bis zur Steinbrück-SPD zusammenzubringen. Der damit einhergehende politische Spagat zeigte sich jedoch auf der Demo in Berlin: Während einige Demonstranten die Rede der früheren DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer mit dem Worten kommentierten, die Vermögensabgabe gehöre gefälligst „auf 100 Prozent“, erklärte ein Redner auf der Bühne dem FDP-Vizekanzler Philipp Rösler, warum seine Politik gar nicht „liberal“ sei – sondern nur eine, die zugunsten des Gemeinwohls von den Reichen nehme.

Auch Ver.di-Chef Frank Bsirske nahm in seiner Rede in Frankfurt die Regierung ins Visier, kam aber ohne geistige Verrenkungen aus: Die Steuerpolitik der vergangenen 12 bis 15 Jahre habe die Reichen massiv begünstigt, sagte Bsirske. „Und da kommt die Kanzlerin und sagt, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Und dann stellt sich heraus: Die meint die Arbeitslosen“, so der Ver.di-Chef. Stattdessen müssten die Reichen in die Pflicht genommen werden. Er gehe davon aus, dass auch Peer Steinbrück sich das „Diktum des Umverteilen-Müssens und -Wollens zu eigen macht“, erklärte Bsirske.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin nannte es am Sonntag eine „schreiende Ungerechtigkeit“, dass der private Reichtum der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung „explodiert, während Bund, Länder und Kommunen verarmen“. Eine befristete Vermögensabgabe ermögliche, über 100 Milliarden Euro Schulden abzubauen und so „Raum zu schaffen für mehr Teilhabe“, so Trittin.

„Ich gehe davon aus, dass Peer Steinbrück sich das Diktum des Umverteilen-Müssens zu eigen macht“

FRANK BSIRSKE, VER.DI

Größer als in Berlin fiel die Umfairteilen-Aktion in Hamburg aus. Rund 7.000 Teilnehmer umzingelten mit einer Menschenkette Rathaus, Handelskammer, Börse sowie Filialen von Banken und Versicherungen in der City. Zuvor hatte es in dem Bündnis heftigen Streit gegeben, weil Landesvorstand und Fraktion der Grünen nicht damit einverstanden waren, dass der griechische Oppositionspolitiker Alexis Tsipras als Redner auftreten sollte. Tsipras kam, die Grünen blieben der Kundgebung demonstrativ fern. Tsipras habe „mit dem Austritt aus der Eurozone Wahlkampf gemacht“, sagte die Hamburger Grünen-Chefin Katharina Fegebank. „Das widerspricht unseren europapolitischen Überzeugungen.“

Auf der Kundgebung bekannte sich Tsipras zu einem „demokratischen und sozialen Europa“. Gleichwohl treibe die EU „das griechische Volk in die Armut“ und habe dafür gesorgt, „dass die Faschisten ins Parlament gekommen sind“, so Tsipras. „Das Geld, das den Arbeitern hier genommen wird, kommt nicht bei den Griechen an, sondern landet bei den bankrotten Banken.“ Er forderte mit erhobener Faust zur internationalen Solidarität der Werktätigen auf.

Meinung + Diskussion SEITE 12