: Jungfrau für 4.000 Euro pro Nacht
Österreichische Begleitagenturen vermitteln Mädchen und Frauen aus Osteuropa an gut betuchte Kunden. Ins Land kommen die Zwangsprostituierten mit Tänzerinnen-Visa
WIEN taz ■ Man findet sie unter den Kontaktanzeigen in den Boulevardzeitungen: „Genuine Fashion Models“ werden da angepriesen oder „Beauty Queens“. Das regt die Fantasie schon an. Und wer bei einem Escort Service Damenbegleitung bucht, der weiß, dass er mehr erwarten darf als gepflegte Konversation bei einem Geschäftsessen.
Hinter vielen dieser Begleitagenturen verbergen sich kriminelle Zuhälter und Menschenhändlerbanden, die auch minderjährige Mädchen für gutes Geld vermitteln. Die Kunden zählen vorwiegend zur gehobenen Gesellschaft: honorige Geschäftsleute, einsame Diplomaten. Auch unter Wiener Anwälten und Staatsanwälten erfreuen sich die exklusiven Dienstleistungen großer Beliebtheit.
Das weiß man spätestens seit die Wiener Stadtzeitung Falter die Protokolle eines Lauschangriffs auf eine derartige Agentur zugänglich machte. Die darin dokumentierten Telefonate lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Richtig durchficken“ wollte da ein Universitätsprofessor aus den USA eine 15-jährige Jungfrau. Deren Schwester sollte zusehen. Er konnte beide im Doppelpack für 4.000 Euro die Nacht buchen. Ein anderer Freier fragte nach, ob er seine Beauty Queen „ohne Kondom in den Arsch ficken“ dürfe.
Französisch oder Griechisch, also oral und anal, müssen die Mädchen ihre Kunden bedienen. Nebenbei legen viele Klienten Wert darauf, dass ihre Gespielinnen nicht wie billige Huren aussehen und möglichst auch beim Smalltalk mithalten können. Ihre Kleidung und Unterwäsche kann genauso gebucht werden wie die sexuelle Präferenz.
Dass sich hinter den appetitlichen Liebesdienerinnen geschundene Sexsklavinnen verbergen, ist bekannt. In den letzten Jahren werden Zwangsprostituierte vor allem in den exsozialistischen Staaten rekrutiert. Hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne sind mit Konsumbedürfnissen, die die Öffnung geweckt hat, schwer vereinbar.
Die belauschte Agentur hatte sich auf Mädchen aus dem Baltikum spezialisiert. Agenten hielten in Vilnius und anderen Städten nach den attraktivsten Mädchen Ausschau, boten ihnen Jobs als Pflegerinnen oder Serviererinnen in Österreich an und arrangierten ihre Ausreise. Das ist einfach, weil österreichische Behörden mitspielen. Die Konsulate stellen „Showtänzerinnen-Visa“ aus und versuchen so, die illegale Prostitution in Grenzen zu halten. Dass die Frauen und Mädchen in völlige Abhängigkeit ihrer „Modelagenturen“ kommen, wird in Kauf genommen.
Angekommen, müssen sie ihren Pass abgeben und werden für ihren wirklichen Job abgerichtet. Laut Falter werden ihnen Videos von kahl geschorenen Mädchen mit gebrochenen Beinen gezeigt. Das reicht, um die meisten gefügig zu machen. Furcht, dass die Eltern etwas erfahren, hilft, sie von belastenden Aussagen vor Gericht abzuhalten.
Eine der Forderungen der Opferschutzorganisation Lefö ist daher auch der Identitätsschutz der Frauen. Die österreichische Rechtslage erlaubt auch Aussagen ohne die einschüchternde Gegenwart der Ausbeuter und von deren Anwälten. Lefö betreute im letzten Jahr 167 Mädchen und Frauen, die in ausbeuterischen Verhältnissen gehalten wurden. Das ist wenig, denn gleichzeitig gingen in Österreich 385 Anzeigen wegen Menschenhandels ein. Fünfmal mehr als 2002. Selten endet ein Verfahren mit einer Verurteilung wie im Fall des abgehörten Franz H., der sich durch seine Telefonate selbst belastet hatte. Aber Frauenhandel, Zuhälterei, sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen und Nötigung brachten ihm und seinen Komplizen nur geringe Freiheitsstrafen ein. Die Freier haben überhaupt keine Konsequenzen zu befürchten.
Evelyn Probst von Lefö geht es vor allem um die adäquate Betreuung der Frauen. Ihr Appell an die Behörden: „Es darf nicht dem Zufall überlassen bleiben, ob jemand Schutz genießt oder nicht.“ Die Politik wird sich mit Frauenhandel und Zwangsprostitution befassen müssen. Denn die SPÖ will die Verwicklung von Staatsanwälten in einer Anfrage an Innen- und Justizministerin thematisieren. RALF LEONHARD