Wählen nur für Deutsche

DEMOKRATIE In einem kleinen Ausschuss diskutiert das Parlament, ob Bremen sein Ausländerwahlrecht im Alleingang ändern darf. Zwei Verfassungsrechtler äußern sich zurückhaltend – der Bund müsste ran

Verfassungsrichter Böckenförde sprach von den „politisch rechtlosen Untertanen eines herrschenden demokratischen Staatsvolkes“

Die Demokratie, das Volk, der Rechtsstaat: Es waren die ganz großen politischen Fragen, die ein kleiner nicht-ständiger Ausschuss der Bremischen Bürgerschaft da gewälzt hat, an diesem Freitagnachmittag. Die Verfassung wurde bemüht und von gleich zwei honorigen Rechtsgelehrten interpretiert. Eine Art juristisches Oberseminar also. Worum es ging? Kurz gefasst um die Frage, ob Bremen auch AusländerInnen das Wahlrecht zugestehen darf. Genauer gesagt: Kann das Bundesland auch solche Menschen, die nicht EU-BürgerInnen sind, seine Beiräte mitwählen lassen? Und darf es beschließen, dass auch jene seinen Landtag mitwählen dürfen, die zwar nicht Deutsche, wohl aber EU-BürgerInnen sind?

„Ich möchte davor warnen“, sagt Kyrill Schwarz, ein Professor von der Uni Würzburg, der sich selbst als „konservativ“ bezeichnet und bereits mehrfach für die örtliche CDU tätig war. „Es ist ein politisches Wagnis“, sagt Ulrich K. Preuß, der früher mal Professor an der Freien Universität Berlin und auch mal Richter am Bremer Staatsgerichtshof war, auf Vorschlag der Grünen. Er befürwortet das Ansinnen, das Rot-Grün in seinem Parlamentsausschuss „Ausweitung des Wahlrechts“ derzeit debattiert, hält aber eine Verfassungsänderung auf Bundesebene für „den glattesten Weg“.

Sollte Bremen gleichwohl das Ausländerwahlrecht einführen, so Preuß, werde die Streitfrage wohl so oder so vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe landen. Und das, sagt Schwarz, habe erst 2009 entschieden, dass das Wahlrecht „den eigenen Staatsbürgern vorbehalten“ sei. Zwar könnten die Länder „in randständigen Bereichen“ das Wahlrecht selbst ändern – etwa, wenn es um das Wählen ab 16 gehe. Bei der Frage des Ausländerwahlrechts, so Schwarz, gehe es um den „Kernbereich des Demokratieprinzips“. Also nichts, was Länder einfach so ändern dürften. Die Frage, wer wählen könne, solle dem politischen Tagesgeschäft „ganz entzogen“ sein, sagt Schwarz. Dass es ein Menschenrecht auf politische Teilhabe gebe, sei jedenfalls nicht die herrschende Meinung unter den JuristInnen. Und wenn es darum gehe, die stetig sinkende Wahlbeteiligung zu erhöhen, helfe es nicht unbedingt, die Basis des Wahlvolkes zu vergrößern.

Dennoch, das sagt auch Schwarz, sei die Frage des Ausländerwahlrechts „von erheblichem gesellschaftspolitischen Interesse“. Die Zeit sei reif, „politische Allianzen zu schmieden“, sagt Preuß. Wer den Gesetzen unterworfen sei, müsse auch ihr Urheber sein – „das ist ein urdemokratisches Prinzip“, so Preuß. Dennoch seien im Bundesdurchschnitt acht Prozent der Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen, Tendenz steigend. Der frühere Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde habe sie mal die „politisch rechtlosen Untertanen eines herrschenden demokratischen Staatsvolkes“ genannt. Zugleich erinnerte Preuß daran, dass Deutschland einst die Forderung nach einem „Wahlrecht für jedermann“ unterschrieb – allerdings nicht völkerrechtlich bindend.

Es gebe beim Ausländerwahlrecht „eine offensichtliche Lücke in der Demokratie“, sagte der grüne Ausschussvorsitzende Hermann Kuhn zum Abschluss. Nur ist Bremen wohl zu klein, um sie zu schließen.  MNZ