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Archiv-Artikel

Bundesweiter Flüchtlingsstreik

Vom Protestmarsch zum Protestcamp – auf dem Oranienplatz fordern Flüchtlinge gleiche Rechte für alle ein, sie wollen sich frei im Land bewegen, arbeiten und nicht mehr in Lagern Leben müssen

Das Protestcamp

Das Camp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg ist auf Dauer angelegt und freut sich über Unterstützung.

Termine

Demonstration für die Rechte der Flüchtlinge, am Samstag, 13. Oktober, Start: 15 Uhr, Oranienplatz.

Omid hat genug. Seit anderthalb Jahren wartet der in Berlin lebende Flüchtling nun schon auf die Bearbeitung seines Asylantrags. Bisher gab es keine Rückmeldung von der Ausländerbehörde. Der rechtliche Status, den Omid in Deutschland damit hat, ist der eines „Asylbewerbers“. Das bedeutet, dass für Omid das Asylverfahrensgesetz und damit auch die sogenannte Residenzpflicht gilt, wonach er den zugewiesenen Landkreis beziehungsweise das Bundesland nicht verlassen darf, in dem sich die für ihn zuständige Ausländerbehörde befindet. Auch darf er nicht arbeiten gehen, was bedeutet, dass er sich keine richtige Wohnung leisten kann. Wie viele andere Flüchtlinge auch, muss Omid deshalb in einer sogenannten Gemeinschaftsunterkunft leben und ist auf Gutscheine angewiesen, mit denen er sich etwas zu essen kaufen kann. „Ich möchte reisen und arbeiten gehen“, sagt Omid.

Um sich gegen seine Behandlung zu wehren, beteiligt sich der Flüchtling an dem „Refugee Protest March from Würzburg to Berlin“. Hierfür verließ er Berlin, wo er seinen Asylantrag eingereicht hat, um sich dem Marsch in Brandenburg anzuschließen. Flüchtlinge aus ganz Deutschland protestieren seit dem 8. September mit einem Protestmarsch und einer Bustour gegen das deutsche Asylverfahrensgesetz, das wegen der Residenzpflicht EU-weit einzigartig ist. Letztes Wochenende sind sie in Berlin angekommen und haben ein Camp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg aufgeschlagen. Für Samstag, den 13. Oktober rufen sie zu einer großen Demonstration auf. Zu den Forderungen der Flüchtlinge an die deutsche Politik zählen neben der Aufhebung der Residenzpflicht, die Lagerunterbringung für die Menschen zu beenden, Asylanträge schneller zu bearbeiten und alle Abschiebungen zu stoppen. „Wir wollen, dass für alle Menschen die gleichen Rechte gelten“, sagt Omid.

Dem Protestmarsch vorangegangen war ein landesweiter Flüchtlingsprotest in Bayern Anfang des Jahres. Im März starteten Asylsuchende aus Würzburg ein Camp, nachdem sich einer ihrer Freunde das Leben genommen hatte. Betroffene aus ganz Bayern kamen nach Würzburg, um sich dem Protest anzuschließen. Die Politik und die Medien zeigten großes Interesse. Als die Behörden die angereisten Protestierer wieder in ihre Städte schicken wollten, beschlossen diese, in ihren Städten jeweils ein eigenes Camp aufzumachen. Der Protest weitete sich auf ganz Bayern aus. Da sich in der Politik aber abgesehen von Interessensbekundungen nichts bewegte, beschloss man, nach Berlin zu gehen, um den eigenen Anliegen im politischen Zentrum der Nation Gehör zu verschaffen. Ein Protestmarsch und eine Bustour durch ganz Deutschland wurden initiiert, die am 8. September in Würzburg starteten. Wie Omid berichtet, habe es einen solchen Protest in Deutschland zuvor noch nicht gegeben.

Auf ihrem Weg nach Berlin machten die Flüchtlinge in verschiedenen Städten halt, um andere Asylsuchende für einen gemeinsamen Kampf zu gewinnen und die Menschen vor Ort über die Problematik zu informieren. „Das Problem mit Regelungen wie der Residenzpflicht ist nach wie vor, dass zu wenig Menschen wissen, dass es sie gibt“, sagt Omid. Der Marsch machte eine Tour durch die neuen Bundesländer, die Bustour besuchte die alten Bundesländer. Auf ihrem Weg nach Berlin machten die Flüchtlinge unter anderem in Wittenberg, Rostock, Hamburg, Leipzig und Potsdam halt. Der Protestmarsch bestand im Schnitt aus 50 Menschen, von denen anfangs 20, zuletzt über 40 betroffene Asylsuchende waren.

Im Verlauf der Bustour konnten insgesamt zwanzig Flüchtlinge zur Beteiligung am aktiven Protest gewonnen werden. Insgesamt sind die Initiatoren zufrieden über die Resonanz und die Beteiligung. Verschiedene Menschen hätten ihnen Unterkunft geboten oder Geld gespendet und viele andere hätten sich an den Demonstrationen und Kundgebungen beteiligt. Der Höhepunkt der Aktionen soll die Demonstration am 13. Oktober werden, zu der bundesweit mobilisiert wird. Die Demonstration wird um 15 Uhr auf dem Oranienplatz starten. Die OrganisatorInnen hoffen, damit ein starkes Zeichen setzen zu können und den Druck auf die Politik zu erhöhen. Die Erwartungen in die Politik sind eindeutig: „Es wird Zeit, dass die Politiker dieses Landes handeln“, sagt Omid. Wer die Flüchtlinge unterstützen möchte, ist aufgerufen, bei dem Protestcamp vorbeizukommen, Geld zu spenden oder an der Demonstration am 13. Oktober teilzunehmen. Lukas Dubro