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Archiv-Artikel

Viel Wirbel um ein Stückchen Stoff

Landesregierung will ab Sommer 2006 das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen einführen. Nonnentracht und Kippa werden vorerst nicht verbannt. Islamrat protestiert gegen Ungleichbehandlung religiöser Symbole

DÜSSELDORF taz ■ Der Streit um das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen in NRW ist erneut entbrannt: Die schwarz-gelbe Landesregierung will das Tragen von Kopftüchern in Schulen bereits ab Sommer 2006 verbieten. Andere religiöse Symbole sollen laut Schulministerin Barbara Sommer (CDU) weiterhin erlaubt sein. „Grund für das Verbot ist nicht die Religiösität, sondern die Gefährdung anderer Verfassungsgüter“, so CDU-Pressesprecher Thomas Breuer. Das Kopftuch könne ein Symbol für die Unterdrückung der Frau sein.

Im Koalitionsvertrag hatten sich FDP und CDU auf ein Kopftuchverbot verständigt. „Die Debatte ist nicht neu“, sagt der Pressesprecherder SPD-landtagsfraktion Thomas Breustedt. Die SPD stelle das Verbot infrage, wolle aber den Gesetzesentwurf abwarten. „Wir haben nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken“, so Breustedt. Eine einseitige Verbannung religiöser Symbole sei problematisch. „Als Konsequenz müsste man alle verbieten, und das wollen wir nicht“.

Die Landesregierung will sich am baden-württembergischen Gesetz orientieren. Es verbietet zwar das Kopftuch, erlaubt aber die jüdische Kippa und die Nonnentracht. „Wir wollen die Muslime nicht diskriminieren“, so Ralf Witzel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP. Die Liberalen schließen eine Ausweitung des Verbots auf andere Symbole nicht aus.

Zustimmung findet das Kopftuchverbot beim Zentrum für Türkeistudien (ZfT). ZfT-Direktor Faruk Sen sieht die weltanschauliche Neutralität der Schulen durch Kopftuchträgerinnen gefährdet. Emanzipation und Integration muslimischer Schüler würden beeinträchtigt, so ZfT-Sprecher Dirk Halm. Beim deutschen Islamrat stößt das auf Unverständnis. „Integration hat nichts mit völliger Assimilation zu tun“, sagt Vorsitzender Ali Kizilkaya. Das Kopftuch stehe der Emanzipation nicht im Weg. „Ein Kopftuchverbot wäre im Gegenteil eine Bevormundung von Frauen, die es aus freien Stücken tragen“, so Kizilkaya. Zwar seien nur 22 Lehrerinnen in NRW von dem Verbot betroffen. „Man kann ein Freiheitsrecht aber nicht in Frage stellen, nur weil wenige Menschen davon Gebrauch machen“, so Kizilkaya. Er habe das Gefühl, dass die Rechte der Muslime immer weniger Wert besäßen. „So eine massive Ungleichbehandlung – auch im Vergleich zu anderen religiösen Symbolen – widerspricht dem Grundgesetz.“

Auch die Grünen protestieren gegen das Kopftuchverbot. „Die Aussagen von Schulministerin Sommer sind einfach nur populistisch“, so Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylivia Löhrmann. Verfassungsrechtlich sei Sommer „auf dem Holzweg“.

Laut Sommer ist das Verbot „nicht gegen den Glauben gerichtet“. Jedoch dürfen Lehrerinnen und Lehrer keine weltanschaulichen Bekundungen abgeben, die den Schulfrieden gefährden könnten. Davon will der Islamrat nichts wissen: „Fundamentalistisches Gedankengut hat nichts mit einem Stück Stoff zu tun“, sagt Kizilkaya. „Man sollte den Menschen nach seinen Taten bewerten, nicht nach seiner Kleidung“. Bei den muslimischen Lehrerinnen in NRW gebe es zudem keinerlei Hinweise auf fundamentalistische Posititionen.

Die Landesregierung ist optimistisch, dass der Gesetzesantrag erfolgreich ist. „Eine Änderung des Schulgesetzes können wir mit einer einfachen Mehrheit durchsetzen“, sagt CDU-Sprecher Breuer. Im März war ein ähnlicher Vorstoß der CDU im Landtag an Gegenstimmen der damaligen rot-grünen Regierungskoalition gescheitert. „Jetzt haben wir die Mehrheit“, so Breuer. GESA SCHÖLGENS