: „Keiner sagt da schnell Ja“
Ab heute führt ein Interimspräsident die Humboldt-Uni. Die Suche nach einem Nachfolger für Jürgen Mlynek ist schwierig. Einer großen Uni stehe das aber gut, findet Vizepräsidentin Susanne Baer
INTERVIEW TINA HÜTTL
taz: Frau Baer, Sie treten heute ihr Amt als Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Humboldt-Uni (HU) an. Noch fehlt im dreiköpfigen Präsidium die wichtigste Person. Trotz Anstrengungen findet sich kein Nachfolger für den ausgeschiedenen Präsidenten Jürgen Mlynek. Schadet das der Uni?
Susanne Baer: Ein längerer Findungsprozess steht einer großen Universität eigentlich gut zu Gesicht. Jeder, der zu so einem Posten schnell Ja sagen würde, kann es nicht ernst meinen. Eine Präsidentensuche ist heute schwierig, denn wir leben in schwierigen Zeiten und den Unis geht es finanziell nicht gut. Auch ist eine Universität eine sehr heterogene Organisation – das ist ja auch gut. Sie lässt sich eben nicht wie ein Unternehmen mal schnell auf Kurs bringen.
In der HU-Studentenschaft sind Sie sehr beliebt. Es gibt auch viele, die nach einer Präsidentin rufen. Wäre das Amt nichts für Sie?
Ich trete mein Amt als Vizepräsidentin gerne an und glaube, da werde ich auch gebraucht. Daher ist das für mich keine Überlegung. Außerdem gibt es erfahrenere Personen als mich. Ich muss mich da nicht vordrängeln.
Was für einen Präsidenten braucht die HU?
Wir brauchen jemanden mit Reformorientierung und Innovationskraft. Wichtig ist auch, dass diese Person integrativ wirkt zwischen den Gruppen innerhalb der Uni, aber auch zwischen den Standorten Adlershof und Mitte, also den Natur- und Geisteswissenschaften. Und wir müssen immer auf die Charité aufpassen. Nach außen bedarf es einer Integrationsfähigkeit, um der Politik immer wieder zu vermitteln, dass wir für unsere Strahlkraft über die Stadt hinaus auch Geld brauchen.
Heiß gehandelt werden derzeit zwei Namen, nämlich der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, und Konrad Osterwalder, Rektor der ETH Zürich. Haben Sie einen Favoriten?
Ich bin nicht Mitglied der Findungskommission, insofern kann ich nichts dazu sagen. Im Oktober werden die Anhörungen der Kandidaten durchgeführt und dann wird gewählt. Entscheiden tut das Konzil.
Wichtigstes Projekt des Präsidiums wird sein, die HU im Exzellenz-Wettbewerb gut aufzustellen. Immerhin konkurrieren die Hochschulen bundesweit um 1,9 Milliarden Euro. Mit dem Geld wird ausschließlich Forschung gefördert. Sie haben nun angekündigt, Spitzenklasse auch in Studium und Lehre erreichen zu wollen. Wie wollen Sie das ohne zusätzliche Mittel anstellen?
Für Studierende muss das heißen, dass sie effektiver studieren können. Momentan haben wir Leute, die nach der Zwischenprüfung gehen, weil sie merken, das war nicht das Richtige. Das wird als Abbruch gesehen. Wir wollen aber, dass sie dann mit einem Bachelor (BA) schon einen ersten Abschluss in der Tasche haben, mit dem sie auf einen Master-Studiengang (MA) oder einen Beruf umsteigen können.
Gerade die Umstellung der Studiengänge auf BA und MA wurde von den Studierenden als „Schmalspurstudium“ heftigst bekämpft …
BA und MA sind eine riesige Chance, selbstbestimmter zu studieren. Sie sind auch eine riesige Chance, das Studium mit Ausland und Inhalt zu gestalten und mit Unterbrechungen, oder mit Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Berufstätigkeit. Wichtig ist auch, dass die Lehrenden im neuen System Rechenschaft ablegen müssen über Lernziele, die die Studierenden dann einfordern können. Es wird dann eher auf Augenhöhe gelehrt. Bei der Umstellung ist zwar einiges schief gegangen und wir müssen nachbessern. Aber das Grundprinzip kommt den Studierenden zugute.
Bleiben wir beim Thema: Bessere Studien- und Lehrbedingungen kosten entweder mehr Geld oder sind nur mit weniger Studierenden zu haben.
Wir wollen nicht weniger, sondern sinnvoller ausgewählte Studierende. Auch müssen wir bei der Beratung und Orientierung definitiv besser werden. Dieser Service geht im Alltag der Wissenschaftspolitik oft unter. Aber er ist ganz entscheidend dafür, dass die Leute hier gut ankommen und die Studierbarkeit gesichert ist.
Zum Schluss: Ein wichtiges Thema für die Studierenden sind Studiengebühren. Wie stehen Sie dazu?
Wir entscheiden nicht darüber, sondern das macht die Politik. Ich setzte mich aber für einen fairen und offenen Zugang zur Hochschule ein. Aus diesem Grund sind Systeme mit Abschreckungseffekten nicht akzeptabel. Ich bin aber auch keine begeisterte Anhängerin des gebührenfreien, aber faktisch privilegierenden Studiums. Denn das derzeitige Modell finanziert letztlich Kinder der Mittel- und Oberschicht. Ich finde Modelle gut, die Rückzahlung an ein späteres Gehalt koppeln. Ich habe mir selbst so ein Studium ermöglicht – das war fair. Denn ein Studium ist immer auch eine Investition in sich selbst.