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Archiv-Artikel

Easy going in der Luxus-Winery

Seit dem Film „Sideways“ erleben kalifornische Kellereien einen Boom. Eine Reise auf den Spuren von Miles und Jack durch die zentralkalifornischen Weinbaugebiete. Weintrinken ist Lifestyle für die höchstens 30-Jährigen. Gute Weine für gute Geschäfte

von BARBARA GEIER

Das soll Kalifornien sein? Gänsehaut bildet sich unter der viel zu dünnen Jacke. Der Wind treibt Regenwolken vor die Sonne, und wenn es gleich schneien würde, wäre niemand überrascht. 1.800 Fuß hoch liegt der Monte Bello über dem kalten Pazifik in den Santa-Cruz-Bergen kurz vor San Francisco. Wir spüren nicht, dass sich die nordkalifornische Metropole von dem unwirtlichen Weinbaugebiet unentwegt entfernt. Knapp ein Millimeter pro Jahr, schildert Paul Draper, driftet sein Weinberg in die eine, San Francisco in die andere Richtung ab. Aus dem Mund des leidenschaftlichen Winzers und gelernten Philosophen klingt das wie eine Schicksalsbeschreibung: „Wir stehen hier direkt über dem Andreasgraben, und wenn es nicht so nebelig wäre, könnten Sie dort drüben die Stadt sehen.“ Bei einem der vielen Beben, die er in den 37 Jahren als Herr über die Ridge Vineyards miterlebt hat, warf es ihn und alles um ihn herum einen Fuß in die Höhe und exakt senkrecht wieder zurück. „Das hat die Fässer im Keller gerettet. Sie landeten wieder dort, wo sie vorher standen.“

Bis hierhin, wo neben Paul Draper noch etwa vier Dutzend Winzer ihre Weinberge in die zerklüfteten Täler gelegt haben, sind Miles und Jack, die beiden Nochjunggesellen aus dem Film „Sideways“, auf ihrem Trip durch die zentralkalifornische Landschaft nie gekommen. Hier ist auch älterer Rotwein genießbar, wie der 1992er California Monte Bello, für den Liebhaber gerne 120 Dollar pro Flasche auf den Tisch legen.

Und wenn der kleine Philosoph und große Winzer Paul Draper auch ein wenig abseits der Lustroute von Miles und Jack wirkt, so ist er doch wie diese davon überzeugt, dass Wein ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist. Und der lässt sich immer besser verkaufen, seit „Sideways“ die Kinos erobert hat.

Vor allem die Jungen, Dynamischen, Besserverdienenden berauschen sich am kalifornischen Wein. Bei Delicato sehen schon die alerten Manager so aus, als ob sie der Bewegung persönlich vorangehen müssten. Die Weinfabrik am Highway 101 bei Monterrey hat für einen neuen „Fun Wine“ gerade ein Etikett entworfen, auf dem ein lachendes junges Paar in einem Oldtimer-Caprio dem Strand entgegendüst, auf dem Rücksitz das Surfbrett, in den Augen Lust auf Abenteuer. „Easy going“, Lifestyle für die höchstens 30- Jährigen.

Vor einem guten Jahr hat Delicato Mondavi gekauft. Das Unternehmen gehört als Teil des Constellation-Konzerns zu den Global Players des Weingeschäfts mit Anbaugebieten in den USA, Australien, Neuseeland, Argentinien, Chile und Italien. 120 Millionen Liter werden jedes Jahr unter verschiedenen Namen verkauft, davon fünf Millionen in Deutschland, und einige eben auch im Billigmarkt. Ein Teil der Produktion soll auch bei Aldi landen, schließlich beliefert man die ganze Welt.

Diese Massenware hätte Miles aus „Sideways“ nie auf Abwege gebracht, obwohl natürlich auch Delicato eine Reihe von Boutique-Weinen anzubieten hat, die stolz verkostet werden und keineswegs billig sind. Und doch wird hier besonders deutlich, dass in Kalifornien Weine hergestellt werden, weil es ein einträglicher Job ist und nicht, weil der eigene Weinberg von den Urgroßeltern schon bearbeitet wurde. Solch kommerzielle Überlegungen müssen aber keineswegs die Leidenschaft für gute Weine bremsen.

Deborah Baldwin zum Beispiel hat alles investiert, was sie und ihr Mann Justin einst als Banker verdient haben, um einen exzellenten Tropfen aus den liebevoll gepflegten Reben zu pressen. Wenn sie strahlend davon erzählt, wie sie vor rund 20 Jahren in der Nähe von Paso Robles auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Francisco in den Adelaide Hills mitten im Nichts begannen, Wein anzubauen, wirkt sie mit ihren blonden Haaren, den langen schlanken Beinen und den neugierigen Augen gleich noch attraktiver. Justin Vineyards & Winery steht nicht nur für gepflegte Weine, sondern für elitäres Weinbusiness überhaupt. Ein intimes kleines Hotel mit landesweit bekannter Küche hat den Ruf des Weinguts immens gesteigert. Die Philosophie ist so einfach wie erfolgreich: „Wir wollen hype und klassisch sein.“ Für das Restaurant werben sie allerdings auch mit „europäischen Weinen“.

Professionell geht es zu in der kleinsten Winery. Die Baldwins beschäftigten schon eine Marketingfirma, als sie noch gar nicht genug Wein für den Markt herstellten. Da die Eigentümer meist nur die Liebhaberei und das nötige Kapital einbringen, beschäftigen sie akademische „Winemaker“, die umso begehrter sind, je mehr Erfahrungen sie international gesammelt haben. Beispielsweise der junge Australier Daniel Shaw: Er hat bereits in Italien und Frankreich gearbeitet und bringt seine Kenntnisse gerade im J. Lohr Wine Center in Paso Robles ein.

Für Romantik ist im kalifornischen Weinbusiness wenig Platz. Stimmt die Qualität, was durch Auszeichnungen auf internationaler Bühne hinlänglich unter Beweis gestellt ist, rentiert sich auch die Investition. „Ich will was tun, das finanziell Sinn macht“, räumt auch Hans Gruber ein, der 1982 aus der Schweiz nach Amerika kam und seit fünfzehn Jahren europäische Kapitalanleger betreut. Gerade entwickelt er für sie am Huerohuero Creek unweit von Paso Robles ein drei Quadratkilometer großes Weinbaugebiet auf zwölf verschiedenen Bodenarten mit völlig unterschiedlichen Mikroklimazonen.

Gary Eberle mag da eher als Ausnahme gelten. Gut 20 Jahre besteht seine Eberle Winery bei Paso Robles und wirkt damit schon ziemlich alt. Als Biologe und Önologe ist er auch noch vom Fach und zudem stolz auf das Gerücht, er habe in den 70er-Jahren die Syrah-Rebe aus Frankreich nach Kalifornien geschmuggelt und den Grundstock für die Hälfte aller amerikanischen Syrah-Weine gelegt.

Das mit dem bronzenen Eber vor dem Eingang der Winery muss den nichtdeutschen Besuchern erklärt werden. Wer bringt schon den Namen des Besitzers mit diesem Tier in Verbindung, das zudem eine getreue Nachbildung eines florentinischen Originals sein soll. Auch bei Eberle kann nicht nur getrunken, sondern auch gut gegessen werden. Je edler die Winery, desto elitärer das Publikum, das sich zu Events, Luxusdinner oder Fundraising-Partys einfindet.

Bei George Rosenthal zum Beispiel, im Newton Canyon von Malibu, der seinen Wein nur anbaut, aber nicht verarbeitet, gehen die Hollywood-Stars ein und aus. Der Besitzer von Filmstudios, Hotels und Immobilienunternehmen hat seine Reben auf steile Hänge gesetzt, dazwischen Orangen- und Zitronenbäume wachsen lassen und den weitläufigen Park mit Statuen von Giraffen und Schafen gefüllt, die bekannte Künstler für ihn geschaffen haben. Zwischendrin sogar ein Stück Berliner Mauer, die er eigens für eine Ausstellung nach Los Angeles hatte einfliegen lassen. Wann die Ausstellung stattfand? Die Frage macht ihn etwas ratlos. „1986 oder so. “ Deutschland ist eben weit. Auch der Markt.

Für Kalifornier, die ihren guten Wein teuer verkaufen, sind die Deutschen ohnehin schlechte Konsumenten. Mit den Preisen in Billigland können und wollen sie nicht konkurrieren. Eines bedauert Rosenthal aber schon: „Dass ich nicht mit Philip Rosenthal verwandt bin. Was hätten wir für Geschäfte machen können – er mit seinen tollen Gläsern und ich mit dem passenden Wein.“