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Archiv-Artikel

Unabhängige Blicke

INDIE-FILME Bei der zweiten Ausgabe des Internationalen Independent-Film-Festivals „Radar“ sind 72 unabhängig gedrehte Streifen aus aller Welt zu sehen

Mit starken Bildern verleiht Poveda brutalen Gangstern ein menschliches Gesicht

VON ROBERT MATTHIES

Christian Poveda wird nicht anwesend sein, wenn sein Film „La Vida Loca“ am Montagabend im 3001 im Rahmen des Radar-Independent-Filmfestivals gezeigt wird. Am 2. September wurde der 54-jährige Reporter auf dem Rückweg von Dreharbeiten in einem Vorort San Salvadors durch mehrere Kopfschüsse ermordet. Offenbar von jenen, von dessen Leben er in seinem Film erzählt. Denn in seinen jüngsten Reportagen hatte er sich mit gewalttätigen Jugendbanden in Zentralamerika, den so genannten Maras, beschäftigt. Bei Kämpfen zwischen den zwei verfeindeten Gruppen „Mara 18“ und „Mara Salvatrucha“ sind im vergangenen Jahr geschätzte 3.700 Menschen getötet worden.

Povedas Film „La Vida Loca“ ist eine außergewöhnlich intime Recherche im Herzen der Gang, bei der „Mara 18“ im salvadorianischen La Campanera. Ohne Sensationsgier spürt Poveda den Ursachen der Gewalt der meist minderjährigen Bandenmitglieder nach und fragt nach der Tiefe ihrer Verzweiflung und ihres Hasses. Mit starken Bilder und berührenden Porträts verleiht er den brutalen Gangstern ein menschliches Gesicht inmitten einer brutalen Welt.

Gezeigt wird „La Vida Loca“ in der Kategorie „Ghetto“ des internationalen Independent-Filmfestes „Radar“, das am Montag zum zweiten Mal beginnt. 72 Filme unabhängiger FilmemacherInnen sind in sieben Spielstätten vom 3001-Kino bis zum Bacana in Eimsbüttel zu sehen. Dabei versteht sich „Radar“ auch als Wettbewerb. Einen „Teddy Trooper“ gibt es dieses Jahr in den Kategorien Spielfilm, Kurzfilm, Dokumentation lang und kurz, „Art & Animation“ sowie eben der Kategorie „Ghetto“ zu ergattern.

Hintergrund ist vor allem die rasche Entwicklung digitaler Medien, die es FilmemacherInnen ermöglicht, zu niedrigen Kosten zu produzieren. Die Konsequenz: Eine Masse an guten Filmen, die mittlerweile auch von Menschen gedreht werden, die weder Filmakademien noch Schauspielkurse besucht haben. Die meisten dieser Filme schaffen es nie auf Leinwand, Fernsehbildschirm oder DVD.

Die Mission von „Radar“ ist, diesen Filmen alle Türen weit zu öffnen. Die Gründer bringen dafür das nötige Know-how mit: Boris Castro hat als Geschäftsmann all die weltweiten Kontakte gesammelt. Auch als Autor hat er gearbeitet und seit 2005 Dokumentationen gedreht. Ale Dumbsky wiederum ist als Mitglied der „Goldenen Zitronen“ durch die frühe Schule des Punkrock gebildet. Erfahrungen als Labelinhaber und Publizist kommen dazu. Und Screenings rarer Filme veranstaltet er ohnehin seit Jahren.

■ Mo, 2. 11. bis Sa, 7. 11., Infos und Programm: www.radarhamburg.de