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Archiv-Artikel

„Die Gewalttäter agieren härter“

Erstürmte Partys und Razzien in Discotheken: Polizeipräsident Dieter Glietsch dementiert lauter werdende Vorwürfe, dass die Einsatzhundertschaften in letzter Zeit ein härteres Auftreten an den Tag legen. Keine Tendenz zu erkennen

taz: Herr Glietsch, neigen Polizeibeamte bei besonderen Sicherheitslagen wie dem Staatsbesuch des US-Präsidenten zu Überreaktionen?

Dieter Glietsch: Selbstverständlich gibt es Einsatzlagen, die die Kollegen besonders fordern. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in so einem Zusammenhang eine Häufung von Vorwürfen gehabt hätten.

Sprechen wir von anderen Einsätzen. Bei einem Hoffest in der Kastanienallee in diesem Sommer sind zwei Hundertschaften durch sehr rüdes Verhalten aufgefallen. Das Fest wurde geräumt, obwohl das Rockkonzert zu Ende war.

Das ist seinerzeit von der taz behauptet worden. Die Polizeiführer haben dieser Darstellung sehr nachdrücklich widersprochen. Wir räumen keine Hoffeste, wenn keine Störung von ihnen ausgeht. Im konkreten Fall ist die Störung auch nach mehrmaligem polizeilichem Einschreiten nicht beendet worden. Dass in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet worden ist, geht auf meine Initiative zurück. Das habe ich aufgrund des taz-Berichtes veranlasst, obwohl bis heute keine einzige Strafanzeige von Betroffenen vorliegt.

Nach der Razzia in der Discothek Jeton gegen Hooligan-Anhänger wurden über 30 Strafanzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung erstattet. Würden Sie von einem verhältnismäßigen Einsatz sprechen?

Ob die Vorwürfe berechtigterweise erhoben werden, ist Gegenstand von Strafermittlungen. Ich habe dazu eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet. Man muss abwarten, was dabei herauskommt. Im Übrigen hat sich der Einsatz im Jeton auf die sichere Erkenntnis gestützt, dass die Gewalttäter aus der Hooligan-Szene dort für das Derby am nächsten Tag Ausschreitungen verabreden wollten, um damit im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft ein Zeichen zu setzen.

Auch in Antifakreisen wird über ein zunehmend rüdes Auftreten der Polizei geklagt– nach dem Motto: Wo gehobelt wird, da fallen Späne.

Auch da kann ich nur sagen: Das ist durch nichts belegt. Da werden Legenden gestrickt. Es ist nicht die Polizei, die härter agiert, sondern die linksextremistische gewaltbereite Szene. Seit 2004 ist ein deutlicher Anstieg von linksextremistischen Gewalttaten gegen Personen, vorwiegend Anhänger des rechten Spektrums, zu verzeichnen. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich das verdoppelt. Meine Beamten sind beim Einsatz gegen Gewalttäter, egal ob von links, rechts oder allgemein-kriminell, gehalten, auf die Eigensicherung zu achten. Es ist verfehlt, daraus irgendeine Tendenz zur Härte abzuleiten.

Wollen Sie damit sagen: Nicht die Polizei rüstet auf, sondern die anderen?

So ist das. Und wir reagieren darauf mit der gebotenen Zurückhaltung und Mäßigung. Dass im Einzelfall mal eine Überreaktion erfolgt, ist nie auszuschließen. Darum lege ich größten Wert darauf, dass jedem Vorwurf zügig nachgegangen wird. Dann kommt es auch, so wie im Fall des Palästinensers beim Bush-Besuch, zu Anklage und Prozess. Wenn das Gericht feststellt, dass die Vorwürfe zu Recht erhoben wurden, werden auch dienstrechtliche Konsequenzen gezogen.

Denkbar ist, dass die Schläge keinem der fünf angeklagten Polizisten zugeordnet werden können, weil es kein persönliches Erkennungszeichen an den Uniformen gibt. Wenn die übrigen Polizeizeugen schweigen, wäre Freispruch die Folge.

Dann können Sie sicher sein, dass die Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht wieder diskutiert wird. So einen Fall habe ich in meiner über dreijährigen Amtszeit aber kein einziges Mal erlebt.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE