: „Epo ins Müsli gekippt“
Sylvia Schenk, vor einem Jahr als BDR-Präsidentin zurückgetreten, wehrt sich gegen den Verdacht, sie habe Tour-Rekordsieger Lance Armstrong bei „L’Equipe“ angeschwärzt
Sylvia Schenk war bis vor einem Jahr Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer und ist nach wie vor Mitglied im Direktionskomitee des Internationalen Radsport Verbandes (UCI). Dort hat sich die Juristin aus Frankfurt zuletzt als Kritikerin von UCI-Präsident Hein Verbruggen hervorgetan. Prompt wurde sie in französischen Medien verdächtigt, jene Informantin zu sein, die „L’Equipe“ die Dokumente weitergereicht hat, aufgrund deren Lance Armstrong entlarvt werden konnte.
taz: Frau Schenk, der ehemalige Festina-Trainer Antoine Vayer hat behauptet, Sie seien die Person, die der Sportzeitung „L’Equipe“ jene Dokumente weitergereicht habe, mit deren Hilfe Lance Armstrong als Dopingtäter enttarnt werden konnte. Was sagen Sie dazu?
Sylvia Schenk: Klar. Ich war sogar diejenige, die ihm 1999 Epo ins Müsli gekippt hat. Viel mehr fällt mir dazu nicht ein. Weil diese Behauptung einfach völliger Schwachsinn ist. Erstens habe ich diese Dokumente nie gesehen. Zweitens wüsste ich gar nicht, wo und von wem ich sie hätte herhaben können. Und drittens wäre es mir viel zu heiß gewesen, so eine Sache loszutreten.
Sie hatten als Mitglied des UCI-Direktionskomitees keinen Zugriff zu den Unterlagen?
Gar keinen. Die lagern irgendwo in der UCI-Zentrale in Aigle.
Wer in der UCI hat prinzipiell Zugriff auf solche Unterlagen?
Die Abteilung, die sich um Anti-Doping kümmert, bzw. die medizinische Abteilung und natürlich Präsident Hein Verbruggen. Wer das aber im Einzelnen ist, weiß ich im Detail gar nicht.
Es deutet derzeit einiges darauf hin, dass der Informant von „L’Equipe“ in den Reihen der UCI zu finden ist. Teilen Sie diese Annahme?
Ich kann mir auch vorstellen, dass er aus der UCI kommt. Zumal es ja nur wenige mögliche Quellen gibt.
Bis jetzt hat die UCI wenig zur Aufklärung des Falls beigetragen. Warum?
Das verstehe ich auch nicht. Eigentlich müsste man jetzt richtig an die Sache rangehen, schon um deutlich zu machen, dass die Sportverbände auch im Nachhinein alles Mögliche getan haben, um den Sachverhalt aufzuklären. Dass eine Bestrafung wegen der fehlenden zweiten Probe nicht mehr zu machen ist, scheint klar. Dennoch müsste die UCI aktiv werden. Soweit ich gehört habe, wird aber nur versucht, den Informanten zu finden. Nur: Das nutzt doch nichts. Es geht doch um den Fakt als solchen – und nicht darum, wer möglicherweise die Vertraulichkeit gebrochen hat.
Was müsste die UCI Ihrer Meinung nach tun?
Als Erstes müsste ein offizielles Dopingverfahren eingeleitet werden, um den Fall im Detail abzuhandeln. Dadurch hätte man zumindest nachgeprüft und geklärt, ob die Vorgehensweise wissenschaftlich prinzipiell abgesichert ist, unabhängig davon, ob man noch bestrafen kann oder nicht. Außerdem geht es darum, die Konsequenzen für die Zukunft zu finden, also zu überlegen: Welche Regularien schaffen wir, damit wir wenigstens in Zukunft einen solchen Fall bestrafen können, in dem erst im Nachhinein etwas herauskommt. So dass sich keiner mehr sicher fühlen kann, nur weil er gerade mit seinem Dopingmittel wissenschaftlich einen Schritt voraus ist.
Hat die UCI überhaupt Interesse, den Maulwurf zu entlarven oder gar den ganzen Fall aufzuklären?
Im Moment versucht man es wohl, dem französischen Ministerium in die Schuhe zu schieben. Doch wie gesagt: Die Suche nach dem Maulwurf ist nur ein Ablenken vom eigentlichen Problem. Ich bin sogar dankbar, dass da jemand die Vertraulichkeit gebrochen hat, weil dadurch die Möglichkeit entstanden ist, sich wirklich mit der Problematik auseinander zu setzen. Es wäre allerdings etwas anderes, wenn der Großteil der Wissenschaftler sagen würde, die Fakten seien wissenschaftlich unseriös. Aber das ist ja nicht der Fall. Und dann gehört die Wahrheit auch an die Öffentlichkeit. Anders kann man dem Dopingproblem nicht begegnen.
Wie kam nun ausgerechnet Ihr Name ins Spiel?
Das weiß ich nicht. Da einige in der UCI mir im Moment übel wollen und mir alles mögliche unterstellen, scheint das genau in die Reihe von Verdächtigungen zu passen, mit denen ich schon in der Vergangenheit zu kämpfen hatte. Es ist eine ziemlich dumme Anschuldigung und der Versuch, mich irgendwie in diese Sache reinzuziehen, weil man sich mit meinen Argumenten nicht so gern auseinander setzen mag.
Also eine Art Retourkutsche dafür, dass Sie Hein Verbruggen zuletzt wegen seiner Machenschaften im Verband, besonders bezüglich der anstehenden Präsidentenwahlen, öffentlich kritisiert haben?
Ja. Ich denke, das kann man so sehen.
INTERVIEW: FRANK KETTERER