Der Junge unterm Feigenbaum

SEX Trent Arsenault ist Vater von 17 Kindern – und lebt seit jeher enthaltsam. Ein Hausbesuch beim bekanntesten Samenspender der USA

Er masturbiert zu Bildern von nackten Frauen. Und die Männer masturbieren zu seinen Bildern

AUS ACAMPO JOHANNES GERNERT

Trent Arsenault hat noch nie mit einer Frau geschlafen, aber er hat der Welt schon siebzehn Kinder geschenkt. Bald werden es vierundzwanzig sein.

Es ist nicht so, dass die Welt ihm besonders dankbar dafür wäre. Im Frühjahr hat er seinen Job verloren. Sein Vermieter hat ihn rausgeschmissen. Außerdem läuft ein Verfahren der Gesundheitsbehörde in den USA gegen ihn, das mit 100.000 Dollar Strafe oder Gefängnis enden könnte.

Trent Arsenault sagt, dass das, was er als Spermaspender tut, wichtiger ist als alles andere.

Er wohnt jetzt da draußen an einer staubigen Straßenkreuzung in zwei rosafarbenen Doppelhaushälften, aber um ihn herum sind Weinfelder, in seinem Garten wachsen Granatäpfel, Blaubeeren, und vor einem Fenster steht ein Feigenbaum. Ein Fruchtbarkeitssymbol, sagt Arsenault. Die Äste des Baums strecken sich über das doppelte Haus, das er sich bei einer Zwangsversteigerung gekauft hat.

In der einen Haushälfte wohnt Trent Arsenault, 37 Jahre alt, in der anderen empfängt er die Frauen. Es gibt dort einen Raum mit moosgrünem Teppichboden, einem Bett mit braunem Bezug und buntem Disney-Handtuch über dem Kopfkissen und einem mit Brettern zugenagelten Fenster. Es gibt Plastikbecher, Pipetten und Tampons, die sich mit Trent Arsenaults frischem Sperma befüllen lassen.

Seit er als Sicherheitsexperte bei Hewlett-Packard rausgeflogen ist, spendet er noch mehr Sperma. Zehn Portionen allein im Mai, in dem Monat, in dem er aus der Nähe von San Francisco ins kalifornische Land hineingezogen ist. Man könnte wohl auch sagen: geflohen.

Trent Arsenault ist auf der Flucht, seit er 15 ist. Damals hat er sich als Teenager in St. Louis, Missouri, die Sache mit dem Zölibat ausgedacht. Arsenaults Vater ist evangelikaler Priester, Trent wird als Christ erzogen, er hat christliche Freunde, er soll eine christliche Frau heiraten: Jennifer.

Irgendwann sagt er zu seinem besten Freund: Lass uns anders sein, aber so, dass die Kirche uns nicht davon abhalten kann. Lass uns geloben, niemals mit einer Frau zu schlafen.

Trent Arsenault, der gern an seinem Radioempfänger tüftelte und über ein Modem Bilder von nackten Frauen aus dem Internet herunterlud, als noch kaum jemand wusste, wie das geht, er wollte eine Idee der Kirche nehmen und sie gegen die Kirche verwenden, um sich von ihr zu befreien. Von ihr und seinen Eltern.

Jesus sagt, die Enthaltsamkeit sei ein Geschenk, das nicht jedem gegeben ist, sagt Trent Arsenault.

„Ich habe mich seit diesen Teenagerjahren darauf vorbereitet, ein Spermaspender zu werden“, sagt er. „Meine Bestimmung ist es, Leben zu schenken.“

Er hat sein eigenes Leben darauf ausgerichtet. Morgens rührt er sich in seiner Küchenmaschine einen Smoothie zusammen, aus Früchten, Trauben, Feigen oder Blaubeeren, und aus Milch. Abends noch einmal. Das soll die Qualität seiner Spermien fördern. Er lässt regelmäßig sein Blut testen, HIV, Hepatitis, Syphilis, Chlamydien.

Wenn er tagsüber nach draußen geht, zieht er sich einen Sonnenhut auf, eine Sonnenbrille, Handschuhe, er hält sich ein Tuch über seine weiße Gesichtshaut, um nicht die ungefilterten Abgase einzuatmen. Sein Smartphone trägt er in einer separaten Tasche, damit es nicht zu nah an seine Hoden kommt.

Trent Arsenault verlangt kein Geld für sein Sperma. Er verlangt nur, dass die Frauen einen Vertrag unterschreiben, in dem unter anderem steht, dass sie dem Kind im Laufe seines Lebens sagen, wer sein Vater ist. Um ungewollten Inzest zu verhindern, sagt Arsenault.

Seine Homepage heißt trentdonor.org, und man erfährt dort nicht nur alles über seine Gesundheit, seine Kindheit, seine Ausbildung, er hat auch Informationen gesammelt, die belegen, dass die Chance, schwanger zu werden, bei frischen Spermaspenden größer ist. Es sind außerdem alle Bestimmungen der Gesundheitsbehörde nachzulesen, der FDA.

Die FDA betrachtet Trent Arsenault als eine Einmannspermabank, weshalb er sich jedes Mal einem Bluttest unterziehen müsse.

Aber was genau ist der Unterschied zwischen Trent Arsenault und irgendeinem Typen, der eine Frau bei einem One-Night-Stand schwängert, fragen Frauen, die die Spenden annahmen.

Es wird eine Anhörung geben der Gesundheitsbehörde geben. Bis dahin darf Arsenault weiterspenden.

Die erste Frau, die von ihm schwanger wird, ist eine 38 Jahre alte lesbische Lehrerin. Er lernt sie und ihre Freundin in einem Café kennen, nachdem sie sich über eine Internetpinnwand geschrieben haben. Sie fragen ihn nach seiner Gesundheit und was seine Familie darüber denkt. Damals wissen seine Eltern nichts davon, heute hat Trent keinen Kontakt mehr zu ihnen, von Weihnachtskarten abgesehen. Sie schreiben ihm Briefe und bitten ihn aufzuhören. Er solle seinen Samen nicht an Unwürdige verschwenden. Im Dezember 2006 ejakuliert Trent Arsenault in eine Tupperbox, die ihm die Lehrerin mitgegeben hat. Er überreicht sie ihr an der Tür. An Weihnachten, er ist bei seinen Eltern, schickt sie ihm eine SMS: Sie sei schwanger. „Wahrscheinlich war das die beste Nachricht, die ich in meinem Leben bekommen habe“, sagt Arsenault. Er wusste vorher gar nicht, ob er Kinder zeugen kann.

Seine Potenz hat ihn selbstbewusster gemacht. Manchmal sagt er heute, dass er die Gegenwart der Fruchtbarkeit spüre, wenn er seinen Becher überreicht.

Hat er sich seine eigene Religion geschaffen? Religion würde er das nicht nennen, sagt Trent Arsenault. Er sitzt in der Küche, in der vieles noch irgendwie herumsteht. Sein Gesicht ist das eines Teenagers geblieben, nur die Stirn wird immer höher. „Ich bin ein sehr wissenschaftlicher Mensch“, sagt er. Er, ein umworbener Computerspezialist bei HP und davor bei Disney, bei einigen Pharmafirmen, er sucht nach rationalen Begründungen für sein Tun. Irrationale Begründungen, die inkonsequent angewendet wurden, hat er in der Kirche zu viele kennengelernt.

Er gratuliert den Müttern jedes Mal per Mail zum Geburtstag ihres Kindes. Er schaut sich ihre Bilder auf Facebook an. Er überlegt, ob er für jedes eine Blume in den Raum beim Feigenbaum stellen soll. In einer Mappe liegen Fotos von Kai, 5, seinem ersten Sohn. Von Addison, von Tatianna. Kinder, die lächeln. Er zeigt sie den Frauen, die von ihm schwanger werden wollen. Sie sind oft lesbisch, kürzlich kam ein junges Paar aus Frankreich. Es ist eine sinnvolle Sache. Warum sollte jemand etwas dagegen haben? Trent Arsenault hilft. Trent Arsenault dient. Trent Arsenault bewahrt sich.

Trent Arsenault muss jetzt auf sein Image aufpassen. Er hat sich für sein Leben eine Rolle gewählt, die so ungewöhnlich ist, dass es vielen schwerfällt, sie zu akzeptieren. Eine männliche Jungfrau, die sich spendersexuell nennt, und vor allem lesbischen Paaren Samen spendet.

Im Herbst vergangenen Jahres rief ihn ein Vizechef von HP an und sagte, wenn er als Angestellter von HP auftrete, müsse er das mit der Presseabteilung abstimmen. Trent Arsenault ging auch danach ins Fernsehen, Fox, CNN, ABC. Aber er gab jetzt immer den Kontakt zum HP-Pressemann weiter und nannte den Namen der Firma nicht mehr.

Im Dezember 2011 berichtete das Blog Gawker über die Aufnahmen. Trent Arsenault hat das alles nie verschwiegen. Seit 2002, sagt er, fotografiert er sich und stellt die Bilder ins Netz. Es habe mit harmlosen Fotos beim Radfahren begonnen, Männer hätten nach mehr gefragt. Fast jedes Mal, wenn er Samen spendet, macht Trent Arsenault die Kamera an und stellt den Clip anschließend auf das Portal Xtube. Dort ist er auch als Badehosenmodel zu sehen. Er bekommt Millionen Klicks, hunderte schwule Männer schreiben ihm, wie sehr ihnen das gefällt.

Er wolle sie nicht zurückweisen, sagt Trent Arsenault, deshalb antworte er ihnen. Er masturbiert zu Bildern von nackten Frauen, sagt Arsenault. Und die Männer masturbieren zu seinen Bildern. Man könne das vielleicht bisexuell nennen. „Das bin ich, Trent, spendersexuell“, sagt Trent Arsenault. „So habe ich es geschafft, eine Jungfrau zu bleiben. Die Technik hat mir dabei geholfen.“

H&P meldete sich wieder. Sie würden nun mit einer Untersuchung seiner Firmengeräte beginnen. Warum befindet sich Sperma auf Ihrem Laptop, fragte ein H&P-Manager. „Ich weiß es nicht“, antwortete Arsenault. Warum war da Sperma?

„Ich weiß es nicht“, sagt er in seiner neuen Küche, freundlich, ruhig. Nachts klingelt manchmal das Telefon, und Männer sind dran. Er legt dann schnell auf. Sein Vorgesetzter rief ihn an: Er sei gefeuert, weil er bei der Untersuchung nicht kooperiert habe. Warum ziehst du nicht weg?, fragte sein Vermieter. Reporter würden bei ihm anrufen, sich erkundigen. Trent Arsenault zog weg.

Es sei ihm danach einen Monat lang sehr schlecht gegangen, sagt er. Er habe sich noch nie so zurückgewiesen gefühlt. Er musste zum Arzt. Er muss jetzt sehr auf sein Image aufpassen.

Er könnte gegen H&P klagen, er hätte wahrscheinlich keine schlechten Chancen. Aber es würde um Diskriminierung gehen müssen, um seine Diskriminierung als Spendersexueller. Trent Arsenault will kein Opfer sein. „Frauen mögen keine Opfer“, sagt er. Nicht als Vater ihrer Kinder.

Er will lieber als Pionier gesehen werden, sagt er. Er will unabhängig leben, da draußen auf dem Land. Er baut Solarzellen auf sein Dach.

Er hat ein Huhn, er will Ziegen. Die Frauen kommen. Trotz allem. Es kommen immer mehr.